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Sven82

Muss ich eine Steuererklärung abgeben bzw. macht dieses Sinn

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Sven82
· bearbeitet von Sven82

Moin,

 

immer wieder sorgt die Frage für Gesprächsstoff:

Muss ich eine Steuererklärung abgeben bzw. macht es Sinn eine Erklärung einzureichen.

Dazu wollte ich mal ein paar Sätze zum besseren Verständnis schreiben.

 

 

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Grundsätzlich ist jeder verpflichtet eine Steuererklärung einzureichen, § 25 Abs. 3 S. 1 EStG. Davon gibt es jedoch 2 Regelungen, die Ausnahmen vorsehen:

 

1 . § 56 EStDV

Eine Steuererklärung ist dann nicht abzugeben, wenn das "zu versteuernde Einkommen" (zvE) den Grundfreibetrag nicht überschreitet, so dass überhaupt keine Steuern anfallen. Das zvE stellt den Betrag dar auf den die Steuern zu zahlen sind. Er berücksichtigt bereits alle Abzüge von den Einnahmen wie zum Beispiel Sonderausgaben (z.B. Versicherungsbeiträge) oder außergewöhnliche Belastungen (z.B. Krankheitskosten oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze). Der Grundfreibetrag beträgt 7.834 EUR (2008: 7.664 EUR, 2009: 7.834 EUR, 2010: 8.004 EUR). Bei Ehegattenveranlagung verdoppeln sich die Beträge.

Liegt man mit seinem zvE unterhalb des Grundfreibetrags muss man also keine Steuern zahlen und auch keine Steuererklärung abgeben.

 

 

2 . § 46 EStG i.V.m. § 70 EStDV

Dieser sagt aus, dass Arbeitnehmern, bei denen bereits Lohnsteuer einbehalten wird, eine Steuerfestsetzung nicht erforderlich ist es sei denn § 46 Abs. 2 Nr. ... EStG sagt etwas anderes. Die häufigsten 4 Fälle greife ich aus diesem Absatz einmal auf:

 

a ) § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 70 EStDV

Sofern die Nebeneinkünfte (alles was nicht Arbeitslohn ist) 410 EUR übersteigen wird eine Steuerfestsetzung erforderlich, so dass auch die Abgabe einer Steuererklärung zur Pflicht wird. Mit dem Begriff "Einkünfte" sind dabei die Einnahmen abzgl. der Ausgaben (Werbungskosten) bzw. abzgl. des Sparerpauschbetrags bei den Kapitaleinkünften zumal ein Werbungskostenabzug seit 2009 in dem Bereich nicht mehr möglich ist.

Bezieht ein Arbeitnehmer Einkünfte aus Kapitalvermögen und sonst keine weiteren Einkünfte (außer Arbeitslohn natürlich) kann er in 2009 Kapitaleinnahmen i.H.v. 9.045 EUR (Grundfreibetrag 7.834 EUR + Sparerpauschbetrag 801 EUR + 410 EUR Härteausgleich) steuerfrei vereinnahmen.

 

b ) § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG

Sofern im Fall von Ehegatten die Steuerklassenkombination III / V gewählt wurde ist eine Steuerfestsetzung erforderlich und die Abgabe einer Steuererklärung Pflicht. Dies beruht darauf, dass bei der Steuerklasse III die doppelten Freibeträge gewährt werden und bei Steuerklasse V gar keine. Weichen die Einnahmen beider Ehegatten stark ab, so kann es durch die unterschiedliche Steuerprogression zu Abweichungen von der eigentlichen Besteuerung kommen, die durch eine Veranlagung bereinigt werden.

 

c ) § 46 Abs. 2 Nr. 4 EStG

Sofern ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte vom Finanzamt eingetragen wurde ist eine Steuerfestsetzung erforderlich und eine Steuererklärung abzugeben zumal geprüft werden soll, ob die Voraussetzungen für den Freibetrag überhaupt berechtigt waren.

 

d ) § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG

Sofer eine Steuererklärung auf Antrag abgegeben wird obwohl nach den vorstehenden Grundsätzen keine Pflicht dazu bestand (Antragsveranlagung), ist auch eine Steuerfestsetzung durchzuführen. Diese Vorschrift war in den letzten Jahren oftmals Streitthema im Hinblick auf die Verjährung, da eine freiwillige Abgabe einer Steuererklärung um zu viel vom Lohn einbehaltene Lohnsteuer wieder zurück zu bekommen nur innerhalb 2 Jahren möglich war. In den Fällen der Pflichtveranlagung hingegen konnte das Finanzamt noch bis zu 7 Jahre später eine Steuerfestsetzung durchführen.

 

 

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Wie im vorherigen Absatz schon genannt kann es unter Umständen Sinn machen eine Steuererklärung abzugeben. Gerade in den Fällen in denen zu viel Lohnsteuer einbehalten wurde weil z.B. nicht das ganze Jahr gearbeitet wurde oder es wurde Kapitalertragsteuer (Abgeltungsteuer) einbehalten, da man vergessen hat bei der Bank einen Freistellungsauftrag zu stellen. In diesen Fällen kann man nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG auf Antrag eine Steuerfestsetzung begehren. Die Verjährungsfrist beträgt hier grds. 4 Jahre.

Ist davon auszugehen, dass man in den nächsten Jahren unterhalb des Grundfreibetrags liegen wird, aber trotzdem aus diversen Gründen Steuern einbehalten werden, so kann man eine Nichtveranlagungsbescheinigung beantragen, die maximal 3 Jahre Gültigkeit hat.

 

Besteht die Pflicht eine Steuererklärung einzureichen hat dies bis zum 31.05. des Folgejahres zu erfolgen. Steuerlich beratende Steuerpflichtige haben bis zum 30.09 des Folgejahres Zeit und auf Antrag ggfs. sogar bis zum 28.02. des darauffolgenden Jahres.

 

 

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Was heißt das für Investmentfondsbesitzer?

 

Anteilsinhaber von Investmentfonds müssen die vorher genannten Grundsätze durchgehen. Liege ich a) über dem Grundfreibetrag? ... und wenn ja dann B) bin ich Arbeitnehmer und liegen meine stpfl. Kapitaleinnahmen nach Abzug des Sparerpauschbetrags über 410 EUR? ... wenn ja dann muss ich eine Steuererklärung einreichen. Wenn nein, dann muss ich auch keine Steuererklärung einreichen, was unter Umständen aber Sinn machen kann wenn bereits im Steuerabzugsverfahren Kapitalertragsteuer einbehalten wurde, die man wiederbekommen würde.

 

Besitzer von ausländischen Thesaurierern die inkl. der Erträge aus der Thesaurierung unterhalb des Sparerpauschbetrags liegen brauchen also keine Steuererklärung einreichen.

 

 

Gruß

Sven

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DerRichterII

Danke, für die Mühen. Das sollte einigen hier helfen.

 

frohe Ostern

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jumpingshadow

lol. jap, ok. Du kennst dich offensichtlich im EStG aus.

Nur, jetzt mal ne ganz blöde Frage hierzu: Macht es dann nicht immer Sinn, ne Steuererklärung einzureichen, wenn irgendwas abgezogen wurde? Denn die Banken beschäftigen sich ja erstmal garnicht mit der Frage, woher du deinen Grundfreibetrag kriest, sondern führen einfach immer was ab.

Dann hat das Finanzamt doch auf jeden Fall immer erstmal zuviel. Oder kriegst du die Steuern bis zum Grundfreibetrag automatisch zurückgezahlt, auch wenn du keine StErkl. einreichst?

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Sven82

in den Fällen, wo der Grenzsteuersatz unter 25 % liegt und Steuern einbehalten wurden lohnt es sich natürlich eine Steuererklärung einzureichen obwohl es keine Pflicht dafür gibt. Liegt keine Pflicht vor hat der Stpfl. aber nur 4 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres für das die Steuererklärung abgegeben werden soll Zeit, während bei einer Pflichtveranlagung bis zu 7 Jahre möglich sind (Stichwort: Festsetzungsverjährung §§ 169 ff AO).

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Sven82

Aktuelle Urteile zur Festsetzungsverjährung.

 

Guckst du: http://www.sis-verlag.de/archiv/4086-fg-baden-wuerttemberg-umstrittener-beginn-der-festsetzungsfrist-bei-antragsveranlagungen

 

Die Frage ist: Wie lange hat jemand Zeit eine Steuererklärung abzugeben, der keine Steuererklärung einreichen braucht. Sind es 4 Jahre oder 7 Jahre.

Siehe § 170 Abs. 1 und 2 AO sowie § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO - Link zur AO

 

Finanzgericht Baden-Württemberg 20. April 2011, Pressemitteilung Nr. 4/2011

(Urteil vom 28. Februar 2011, Az.: 10 K 3092/08)

 

Der 10. Senat hat mit Urteil vom 28. Februar 2011 entschieden, dass auch für Antragsveranlagungen die dreijährige Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und damit im Ergebnis eine siebenjährige Festsetzungsfrist gilt.

 

Die Klägerin erzielte ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und war nur auf ihren Antrag hin zu veranlagen. Im Januar 2008 reichte sie ihre Einkommensteuererklärung für 2003 ein. Das Finanzamt lehnte eine Veranlagung der Klägerin mit dem Hinweis auf die inzwischen verstrichene vierjährige Verjährungsfrist (sog. Festsetzungsverjährung) ab. Die Regelung der Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), nach der die Festsetzungsfrist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs nach der Steuerentstehung beginnt, war nach Ansicht des Finanzamts nicht auf Antragsveranlagungen anzuwenden. Der dagegen erhobenen Klage gab der 10. Senat des Finanzgerichts statt. Nach Ansicht der Richter endet die Festsetzungsfrist für Antragsveranlagungen 2003 erst am 31. Dezember 2010. Das Gericht verpflichtete daher das Finanzamt, die im Jahr 2008 eingereichte Steuererklärung noch zu veranlagen.

 

Der 10. Senat legt die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO verfassungskonform dahingehend aus, dass auch für Antragsveranlagungen die vierjährige Festsetzungsfrist erst nach Ablauf von drei Jahren zu laufen beginnt, wenn nicht schon vorher eine Steuererklärung abgegeben wurde. Andernfalls käme es zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen, die verpflichtet sind, eine Steuererklärung abzugeben, und solchen, die nur auf ihren Antrag hin veranlagt werden.

 

Der 10. Senat hat die Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren ist unter dem Az. VI R 16/11 beim Bundesfinanzhof anhängig.

 

Demgegenüber hat der 4. Senat des Finanzgerichts letztes Jahr mit Urteil vom 4. Mai 2010 (Az.: 4 K 478/10 = SIS 10 28 45) eine entsprechende Klage auf Durchführung einer Antragsveranlagung mit der Begründung abgewiesen, die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO greife bei Antragsveranlagungen nicht. Nach Ansicht des 4. Senats gilt hier nur eine vierjährige Festsetzungsfrist mit der Folge, dass Antragsveranlagungen für 2003 nach dem 31. Dezember 2007 festsetzungsverjährt sind und danach vom Finanzamt nicht mehr durchgeführt werden dürfen. Es gebe hinreichende sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Pflicht- und Antragsveranlagung, die keine verfassungskonforme Auslegung erlaubten.

 

Auch der 4. Senat hat in seinem abweisenden Urteil die Revision zugelassen. Die beim Bundesfinanzhof eingelegte Revision wird dort unter dem Az.: VI R 53/10 geführt.

 

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