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Flemme

Rebalancingschwellen

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Flemme

Ich hatte mir vor einiger Zeit überlegt was für Rebalancingschwellen ich benutzen möchte. Da ich nur ungerne Empfehlungen von anderen Leuten folge habe ich versucht etwas genauer zu verstehen wie der Rebalancinggewinn von solchen Schwellen abhängt. Vielleicht interessiert es ja auch noch den einen oder anderen im Forum.

 

Ausgangspunkt ist ein sehr einfaches Beispiel. Wir betrachten ein 50/50 Portfolio wobei die eine Hälfte konstant bleibt (Cash) und die andere schwankt - irgendein Aktienindex. Es gibt zwei gleich lange Perioden, nach der ersten hat sich der Index verdoppelt, nach der zweiten wieder halbiert. Wenn ich am Anfang je 1 in Cash und Index habe ergibt sich:

 

 

       t0   t1   Reb    t2 	Reb

Index   1    2    1.5    0.75   1.125	
Cash    1    1    1.5    1.5    1.125

Also ein Bonus von 12.5%

 

 

Dazu eine Bemerkung. Da wir uns nur für den Rebalancingeffekt interessieren und nicht für die Gesamtrendite ist es keine Einschränkung der Allgemeinheit wenn wir gegen Cash rebalancen. Es geht nur um die relative Bewegung und wir können daher immer eine der beiden Komponenten als konstant annehmen.

 

Wir können uns jetzt ansehen wie sich grössere und kleinere Schwankungen auswirken. Am einfachsten stellen wir eine Formel auf, die obiges Beispiel verallgemeinert. Sei x der Faktor um den sich der Index verändert. Also z.B. x=2 wenn er sich verdoppelt oder x=0.8 wenn er um 20% sinkt. Dann können wir die erste Zeile der Tabelle so schreiben:

 

 

 t0   t1   Reb        t2      Reb
 1    x    A=(x+1)/2  B=A/x   (A + B ) /2

 

Einsetzen ergibt:

   (A + B )/2 = (A+A/x) / 2
  			= ((x+1)/2 +(x+1)/(2x)) / 2
  			=  (x/2 + 1/2 + 1/2 + 1/(2x)) / 2

 

Damit ist die Formel für den Rebalancinggewinn: f(x) = (x + 1/x + 2) / 4

 

 

Wenn wir jetzt x=2 setzen erhalten wir wieder wie oben 1.125 als Bonus. Bei x=4 erhalten wir 1.5625.

Die Formel ist offenbar symmetrisch bezüglich 1/x. Also x=2 ergibt dasselbe wie x=0.5 und x=3/2 dasselbe wie x=2/3. Das heisst es ist egal ob es zunächst rauf und dann wieder runtergeht oder umgekehrt. Aber 20% rauf ist nicht dasselbe wie 20% runter.

Was passiert jetzt wenn wir mehrere Perioden haben?

 

Angenommen wir haben vier Perioden und es geht zweimal erst rauf und dann runter (symbolisch: /\/\). Dann erhalten wir einfach f(x)f(x)=f(x)^2. Da bei der Multiplikation die Reihenfolge keine Rolle spielt geben ist das Ergebnis das gleiche für //\\, \//\, ... es kommt nur darauf an wie oft es rauf und runter geht.

 

Damit können wir jetzt die Frage beantworten was passiert wenn wir in unserem Anfangsbeispiel die Rebalancingperiode halbieren:

 

Angenommen es geht zunächst mit konstanter Rendite rauf und dann wieder runter zum Ausgangswert. Bei zwei Perioden mit Indexveränderung x haben wir gesehen ist der Rebalancinggewinn f(x). Jetzt zerlegen wir den Zeitraum in vier Perioden, symbolisch //\\. Dann ist die Indexveränderung pro Periode die Wurzel aus x (sqrt(x)) und der Rebalancinggewinn f(sqrt(x))^2.

 

Beispiel: x=4

2 Perioden: f(4)=1.5625

4 Perioden: f(sqrt(4))^2 = f(2)^2 = 1.125 ^ 2 = 1.265625

8 Perioden: f(sqrt(2))^4 = f(1.41)^4 = 1.03 ^ 4 = 1.12695

16 Perioden: f(sqrt(sqrt(2)))^8 = f(1.1892) ^ 8 = 1.0075 ^ 8 = 1.06182

 

Der Rebalancinggewinn hat sich jedesmal mehr als halbiert! Also in Trendperioden ist zu häufiges Rebalancing sehr schädlich. Geht die Anzahl der Rebalancingperioden gegen unendlich, geht der Gewinn gegen Null, egal welcher Kursverlauf.

 

Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Kleinere Schwankungen sind ja häufiger als grosse. Trotzdem ist es glaube ich nützlich zu wissen welchen Bonus man bei welchen Schwellen erwarten kann und sich zu überlegen wie häufig diese auftreten können.

 

Zu guter Letzt noch ein paar Worte zum Portfolio. Normalerweise sind die Einzelkomponenten ja als Prozentsatz des Gesamtvermögens gegeben. Es ist daher bequemer die Schwellen in Prozentpunkten des Gesamtportfolios anzugeben.

 

Beispiel:

 

Angenommen ich habe mich aufgrund einer Abwägung von Häufigkeit und Rebalancinggewinn für die Schwelle x=3/2=1.5 entschieden. Dann ist die entsprechende Schwelle nach unten 2/3=0.67 und der erhoffte Rebalancinggewinn f(3/2)=1.042 etwa 4%.

 

Bei einer 50% Komponente bedeutet das

1.5 / (1 + 1.5) = 0.6 Also ist die obere Schwelle im Portfolio bei 60%.

0.67 / (1 + 0.67) = 0.4 Also ist die untere Schwelle bei 40%.

 

Bei einer 10% Komponente ergibt sich:

1.5 / (9 + 1.5) = 0.1428 etwa 14% als obere Schwelle

0.67 / (9 + 0.67) = 0.06897 etwa 7% als untere Schwelle

 

Fragen und Kritik und Korrekturen sind willkommen!

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Schinzilord
· bearbeitet von Schinzilord

Hi Flemme!

 

Schöne Ausführung.

 

Dein Fazit trifft es ganz gut:

In Trendperioden ist Rebalancing schädlich, bei Reversal to the Mean Perioden super. Nur vorher weiß man das natürlich nicht...

Aber selbst in starken Trends (von 2003 bis 2007) kommen Perioden vor, die meanreverting sind -> selbst da rentiert es sich, eine kurzzeitig heiß gelaufene Assetklasse gegenüber einer anderen zurückzunehmen.

 

Mein Bauchgefühl sagt:

Kommt ein starker Einbruch, tendiert der Markt eher dazu, schnell wieder hochzugehen. -> ich rebalance (letztes Jahr August)

Geht es schon 3 Monate nach oben und jeder fragt sich wieso, rebalance ich (heuer Ende März).

Sozusagen extrem mildes Markettiming.

 

ich habe einen bisserl anderen Ansatz verfolgt als du:

Im Backtest zwischen verschiedenen ETFs ermittelt, wie oft und zu welchen Zeitpunkten Rebalancingvorgänge nach Kosten optimal gewesen wären.

post-9048-0-30226100-1341744749_thumb.png

Rebal zwiscen 3 ETFs (MSCI World, EM und Renten 3-5y von dbxtrackers) von 2008 bis 2011.

Das Kreuz markiert die optimale Rebalancingstrategie bei starren Terminen (alle X Tage nach Kosten). Hier wären es 260 Handelstage gewesen = 1 mal im Jahr.

 

Nachdem mir das zu starr war, habe ich nochmal rumprogrammiert und ein relatives System implementiert: Erst bei einer relativen Abweichung von größer z.B. 10% (also Aktien/Renten 45/55), wird rebalanct.

Als Grenze für die TA Kosten kann man ex post ermitteln:

Hier die letzten 2 Jahre mit MSCI World (40%), Renten 10-15y (beide von dbxtrackers) 30%, comstage Commodity und ishares REITs je 15% (alles ETFs) und 0% TA Kosten bei einer relativen Abweichung von 10%:

post-9048-0-04312200-1341745728_thumb.png

 

Outperformance von Rebalancingstrategie (3 Termine) gegenüber BuyandHold liegt bei 1.8% -> daraus folgt

TA Kosten < 0.5% pro Termin (aufs Gesamtkapital bezogen).

 

Real:

Wie hoch können die Rebalancingkosten maximal sein, damit man in der Vergangenheit noch einen positiven Effekt gehabt hätte?

 

Akzeptiert man kumuliert 1000bp Abweichung: (3 Termine in den letzten 2 Jahren)

Bei 10000€ im Portfolio sollten die Rebalancingkosten unter 0.5% = 50€ pro Termin liegen (klingt machbar^^).

 

Akzeptiert man kumuliert nur 500bp Abweichungen, hätte die Outperformance nur noch 0.7% in 2 Jahren betragen.

Mit zuviel Rebalancing erzeugt man nur Kosten und lässt Trends zu wenig lange laufen.

 

Faustregel:

Erst ab Abweichungen >500bp einer Assetklasse vom Sollwert rebalancen, wenn die TA Kosten aufs Rebalancingkapital max. 1% betragen (10€ in 1000€).

Dann hätte man in der Vergangenheit mit Rebalancing eine Outperformance gegenüber BuH erzielt.

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Flemme

Danke für deinen ausführlichen Beitrag Schinzi!

 

Ich glaube, dass sich der empirische und der analytische Ansatz hier gut ergänzen.

 

Faustregel:

Erst ab Abweichungen >5% einer Assetklasse vom Sollwert rebalancen, wenn die TA Kosten aufs Rebalancingkapital max. 1% betragen (10 in 1000).

Dann hätte man in der Vergangenheit mit Rebalancing eine Outperformance gegenüber BuH erzielt.

 

Wenn ich das richtig verstehe meinst damit 5 Prozentpunkte für eine 50% Assetklasse. Unter dieser Annahme, erlaube mir mal diese 5% in meinen Formalismus zu pressen.

 

Wenn der Anteil einer 50% Komponente auf 55% steigt dann ist das äquivalent dazu, dass sie um 22.22% steigt während der Rest konstant bleibt. (Lösung von x/(1+x)=0.55) Das ist nützlich zu verstehen wenn man sich den Verlauf eines Index anschaut.

 

Wenn es klappt (also wenn der Kurs wieder auf sein Ausgang zurückfällt und ich da wieder rebalance) bekomme ich einen Rebalancinggewinn von (1.22 + 1/1.22 + 2) / 4 = 1.0101 also etwa 1% des Gesamtportfolios.

 

(Übung: Wie hoch ist der Rebalancingverlust wenn der Kurs nie wieder zurückkommt?)

 

Allerdings ist zu beachten, dass ich zweimal rebalancen muss um diesen Gewinn zu bekommen. Also bekomme ich pro Rebalancing im günstigen Fall sqrt(1.0101) = 1.005 also etwa 0.5% des Portfolios. Das liegt noch deutlich über den von dir angenommen Kosten: 1% von 5% = 0.05%.

 

Nun könne wir nochmal versuchen diese 5 Prozentpunkte einer 50% Komponente auf kleinere Portfoliokomponenten zu übertragen.

 

Diesmal für eine 5% Komponente:

 

1.22 / (19 + 1.22) = 0.0604 etwa 6% des Portfolios als obere Schwelle

0.82 / (19 + 0.82) = 0.0413 etwa 4% des Portfolios als untere Schwelle (1/1.2222 = 0.8181)

 

Das Hauptproblem, dass ich mit vielen Faustregeln habe ist, dass mir oft nicht so recht klar ist worauf sich die angegebenen Prozentzahlen beziehen. Prozentpunkte des Portfolios? Aber doch wohl nicht dieselben für 50% Komponente wie für eine 1% Komponente. Im Allgemeinen ist die obere Schwelle auch nicht gleich weit von der Wunschallokation entfernt wie die dazugehörige äquivalente untere Schwelle. (Dieses Phänomen wird stärker wenn die Komponente klein ist und wenn die Schwelle relativ gross ist.)

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Schinzilord

Wenn ich das richtig verstehe meinst damit 5 Prozentpunkte für eine 50% Assetklasse. Unter dieser Annahme, erlaube mir mal diese 5% in meinen Formalismus zu pressen.

Du hast es erfasst, ich habs oben editiert, leider habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Ich meinte eben deine 500 Basispunkte oder 5 Prozentpunkte.

 

 

Wenn der Anteil einer 50% Komponente auf 55% steigt dann ist das äquivalent dazu, dass sie um 22.22% steigt während der Rest konstant bleibt. (Lösung von x/(1+x)=0.55) Das ist nützlich zu verstehen wenn man sich den Verlauf eines Index anschaut.

Genau.

 

Wenn es klappt (also wenn der Kurs wieder auf sein Ausgang zurückfällt und ich da wieder rebalance) bekomme ich einen Rebalancinggewinn von (1.22 + 1/1.22 + 2) / 4 = 1.0101 also etwa 1% des Gesamtportfolios.

 

Allerdings ist zu beachten, dass ich zweimal rebalancen muss um diesen Gewinn zu bekommen. Also bekomme ich pro Rebalancing im günstigen Fall sqrt(1.0101) = 1.005 also etwa 0.5% des Portfolios. Das liegt noch deutlich über den von dir angenommen Kosten: 1% von 5% = 0.05%.

Ich meinte die Kosten: 1% vom Gesamtkapital, also nicht von 5% sondern von 100%. -> Weil ich in etwa auch auf den 1% p.a. Rebalancingvorteil im Backtest gekommen bin.

also die gesamten TA Kosten dürfen absolut gesehen nicht mehr als dieser Renditevorsprung ausmachen, damit es sich rentiert. Und der Renditevorteil bezieht sich ja aufs Gesamtkapital.-

 

 

Das Hauptproblem, dass ich mit vielen Faustregeln habe ist, dass mir oft nicht so recht klar ist worauf sich die angegebenen Prozentzahlen beziehen. Prozentpunkte des Portfolios? Aber doch wohl nicht dieselben für 50% Komponente wie für eine 1% Komponente. Im Allgemeinen ist die obere Schwelle auch nicht gleich weit von der Wunschallokation entfernt wie die dazugehörige äquivalente untere Schwelle. (Dieses Phänomen wird stärker wenn die Komponente klein ist und wenn die Schwelle relativ gross ist.)

Ich habs oben nochmal editiert, dass es besser rauskommt, welche Angaben sich auch welches Kapital bezieht.

 

Danke für deine Anmerkungen!

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