Zum Inhalt springen
marky2k

Risikoprämien ernten: Do it yourself

Empfohlene Beiträge

marky2k
· bearbeitet von marky2k

Es ist allseits bekannt, dass z.B. value Aktien und kleine Aktien in der Vergangenheit eher höhere Renditen erzielt haben. Meine Überzeugung ist, dass höhere Rendite auch mit höherem Risiko einhergeht -- man muss nur wissen, welche Risiken man eingeht. Für einen langfristigen Investor macht es dann durchaus Sinn, gewisse Risikoprämien abzuernten. Z.B. wird das häuig hier im Forum praktiziert mit einem Portfoliotilt Richtung Value/Small oder bei der Sparbriefleiter (Illiquiditätsprämie). Während es für Value/Small Aktien z.T. geeignete ETFs gibt, sieht es für Illiquidität eher mau aus (wobei ich glaube, dass der Small Stock Effekt zum größeren Teil gerade ein Illiquiditätspremium sein könnte!).

 

Da ich mir auch noch nicht ganz sicher bin, wie ich genau Illiquidität messen will, werde ich mit dem Value Effekt anfangen und versuchen diese Prämie mit Einzelinvestments abzuschöpfen. Im Originalpaper von Fama und French wird Value mit dem Buch-zu-Marktwert (B/M) Verhältnis gemessen -- das benutze ich einfach auch. Die (simple) Strategie sieht wie folgt aus:

 

 

Das Aktienuniversium ist der Stoxx 600 Index. Jedes Jahr werden die 10 Werte mit dem höchsten B/M gekauft (und am Anfang gleichgewichtet, also 1/10 jeder Wert) und für ein Jahr gehalten. Nach einem Jahr wird neu evaluiert und wiederum die 10 Werte mit dem höchsten B/M gekauft.

 

 

1. Lohnt sich der Aufwand / Können vorhandene ETF Produkte das nicht auch schon?

 

Kostentechnisch lohnt sich der Aufwand für mich nicht. Rein geldtechnisch bin ich bei 10 Einzelinvestments und meinem jetzigen Investment in den MSCI Europe Value (via dbx trackers, TER 0.4%) ca. breakeven bei 10 Transaktionen à 7-10€ pro Jahr Die Kalkulation muss jeder für sich selber machen. Zeittechnisch lohnt es sich natürlich vorne und hinten nicht, aber das hier soll auch eher ein Pilotprojekt sein -- im Endeffekt ziele ich wie gesagt auch auf andere Faktoren als auf Value ab, Value ist nur so einfach zu messen.

 

Interessanter finde ich die Frage, ob der MSCI Europe Value denn wirklich das Value Premium abschöpft oder was er genau überhaupt macht. (Factsheet hier)

 

Um das herauszufinden, regressiere ich die Renditen des MSCI Europe Value (ich benutze Gross) auf die Fama-French Faktoren (von Kenneth French's Website). Ein kleines Problem gibt es dabei: Zwar sind auf French's Website die Faktoren für Europa aufgelistet, allerdings glaube ich, dass die auf $ Werten basieren -- also ich glaube, dass Fama und French am Anfang ihre Rohdaten in $ konvertieren und dann die Faktoren berechnen. ich bin mir nicht ganz sicher, ob es dann korrekt ist die Rendite des MSCI Europe value (in €) auf diese $ basierten Faktoren zu regressieren. Ich hoffe, das macht keinen großen Unterschied. Ich habe vergleichsweise die Faktoren auch in € konvertiert.

 

Die Wertentwicklung sieht so aus:

 

post-20452-0-57832200-1455708817_thumb.png

 

HML sind dabei die Fama-French Value Faktoren. Der Vergleich hinkt allerdings sehr -- die Fama French Faktoren sind long-short portfolios, der MSCI Europe Value ist long only. Viel interessierter bin ich auch in der 'exposure' des MSCI Europe Value auf die Fama French Faktoren, also mit welchen Faktoren lässt sich die Rendite erklären. Ex-ante würde ich da mal stark auf den Value Faktor tippen. Also regressiere ich wie gesagt die Rendite des MSCI (genauer gesagt die Überrendite, ich subtrahiere den risikofreien Zins. Dazu nehme ich den von French's Website. Der ist wiederum $ basiert und auf US 1 month treasury bonds, aber ich hoffe das macht keinen großen Unterschied). Das Resultat:

 

post-20452-0-27458900-1455711440_thumb.png

 

Verwunderlich ist, dass der Koeffizient für den HML Faktor negativ ist und eher signifikant (-0.25 mit t-stat von -1.89). Nicht verwunderlich, sondern sehr verwunderlich. Eigentlich sollte der stark positiv sein, denn was der MSCI Europe Value versucht abzubilden ist ja genau in etwa das Fama und French HML Portfolio oder zumindest will er den selben Effekt haben. Wenn man sich die Regressionskoeffizienten vereinfacht als Korrelationen vorstellt, dann sollte diese Korrelation wohl stark positiv sein.

 

 

2. Do it yourself

 

Also versuche ich einfach selber das Fama und French Portfolio nachzubilden ("Factor-mimicking Portfolio" heißt das auf Englisch). Ich kann nicht short gehen und ich kann auch nicht soviele Aktien kaufen wie in dem HML Portfolio drin sein sollten, aber ich kann ja schauen wie weit ich mit diesen Restriktionen komme. Also backteste ich oben genannten Strategie, bei der ich jedes Jahr die 10 Aktien kaufen mit dem höchsten B/M Wert. Um ein Gefühl zu bekommen, was dabei rauskommt, liste ich jetzt die Aktien auf, die man der Strategie zufolge jedes Mal am 1.1. eines Jahres hätte kaufen sollen (der Übersicht halber nur für ein paar Jahre):

 

post-20452-0-40724600-1455710875_thumb.png

 

 

Was auffällt: es sind ziemlich viele Finanzwerte dabei, also von einem gut diverfisizierten Portfolio kann man womöglich nicht sprechen -- aber Banken sind eben nun mal diejenigen Unternehmen mit hohem B/M Wert. Interessant ist nun auch wie dieses Portfolio historisch abgeschnitten hätte und wie es sich im Verhältnis zu den Fama und French Faktoren verhält:

 

- durchschnittliche monatliche Rendite: 1.5%

- Standardabweichung: 6.66%

- Maximale Rendite: 21%

- Minimale Rendite: -20%

- annualisiertes Sharpe Ratio: 0.79

 

 

bei dem Sharpe Ratio habe ich gestaunt. Darüber würden sich manche Fondsmanager nur freuen. Nun wiederhole ich die Übung, die ich oben schon gemacht habe und regressiere die Rendite meines Portfolios auf die Fama und French Faktoren. Das Resultat:

 

post-20452-0-80017200-1455711504_thumb.png

 

 

Die Marktrendite und der Value-Faktor sind sehr signifikant, das heißt dass die Rendite des Portfolios hochgeht, wenn der Markt hochgeht ceteris paribus und hochgeht, wenn der Value Faktor hochgeht, ceteris paribus. So sollte es sein.

 

 

cliffs:

- Relation zwischen MSCI Europe Value und dem originalen Fama und French Faktor ist unklar

- Eine Strategie, die jedes Jahr in die 10 größten B/M Werte investiert, hat eine stark positive Relation mit dem originalen Fama und French Value Faktor

- Downside: Transaktionskosten, Finanzwertelastig, Diversifikation mit 10 Werten gegeben?

 

todo:

- andere Faktoren abernten für die es keine gehandelten Indices gibt, z.B. illiquidität.

- Daten für 2016 aktualisieren

- Ein anderer Weg zum Bilden eines Factor-Mimicking Portfolios wäre ein formales Optimierungsproblem mit Nebenbedingungen, dass das beta auf das HML portfolio gleich 1 ist und die anderen betas (market, small, momentum) gleich 0. Großer Vorteil wäre da, dass man wirklich nur das Value Premium bekommen würde mit einem Markbeta von 0!

 

Nachteil: deutlich mehr Zeitaufwand. Ich habe das Problem mal formal hingekritzelt. (hab's wieder rausgenommen, falls es jmd. interessiert kann ich es wieder reintun)

 

 

 

Feedback gerne erwünscht.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Value Student

Wenn ich es richtig verstanden habe, willst du letztendlich eine einfache KBV Strategie umsetzen (kaufe jedes Jahr die 10 Aktien mit dem niedrigsten KBV im Stoxx 600).. Mit Fama French hat das dann nicht mehr so viel zu tun. Mit 10 Aktien hast du ein sehr großes Klumpenrisiko bei einer einfachen fundamentalen quantitativen Strategie.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
marky2k
· bearbeitet von marky2k

Ja, das ist die Strategie. Aber warum hat das nichts mehr mit Fama und French zutun? Meiner Meinung hat der MSCI Europe Value nichts mit Fama und French zutun :D

 

Es ist auch nicht als stand-alone gedacht, sondern als Ergänzung zu meinem Weltportfolio für den Value Teil bzw. als Ersatz für meinen MSCI Europe Value ETF.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
otto03

Ja, das ist die Strategie. Aber warum hat das nichts mehr mit Fama und French zutun? Meiner Meinung hat der MSCI Europe Value nichts mit Fama und French zutun :D

 

Es ist auch nicht als stand-alone gedacht, sondern als Ergänzung zu meinem Weltportfolio für den Value Teil bzw. als Ersatz für meinen MSCI Europe Value ETF.

 

In den letzen 10 Jahren hätte als der Ersatz der normale MSCI Europe gereicht.

 

Ein paar Beispiele

https://www.wertpapier-forum.de/topic/42899-entwicklung-von-msci-varianten-worldeurope-etc-etc/page__st__88

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
marky2k

Gut, das ist ja dann konsistent mit dem was ich hier habe. Der Value Index tut nicht das, was er soll -- denn das Value Premium ist über die letzten Jahre noch nicht verschwunden soweit ich weiß.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Value Student

Ja, das ist die Strategie. Aber warum hat das nichts mehr mit Fama und French zutun?

 

Weil - wie du selber festgestellt hast - FF ihre Portfolios ganz anders bauen.. Bei FF geht es um systematisches Risiko, aufgrund der Art und Weise, wie du dein Portfolio baust, ist es mMn signifikanten idiosynkratischen Risiken ausgesetzt.. Genau diese Risiken sollen aber eigentlich wegdiversifiziert werden.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
marky2k
· bearbeitet von marky2k

Also ich denke ich baue mein Portfolio auf jeden Fall ähnlicher zu FF als MSCI das tut. Fama und French bauen ihren HML Faktor wie folgt: jeden Juli (oder Juni) sortieren sie Stocks in 6 'Kisten'. Die 6 Kisten kommen von einem 2x3 Sort von Size und B/M. Also gibt es small growth, small mittel B/M, small value und large growth, large mittel B/M, large value. HML ist dann 0.5*(small value - small growth) + 0.5*(large value - large growth). Da Stoxx 600 eher mid / large caps sind und nicht die ganz ganz kleinen drin hat, die Fama und French nicht rausfiltern, dürfte mein Portfolio im Prinzip ähnlich sein zu large value (nur natürlich weniger Konstituenten). Ich sorte nur nicht im Juli, sondern im Januar.. In diesem Sinne darf ich aber durchaus eine positive Exposure zum HML Faktor erwarten. Warum das beim MSCI Index nicht der Fall ist -- ich weiß es nicht, evtl. hat es etwas damit zutun, dass sie neben B/M noch andere Kritieren für die Stockauswahl benutzen?

 

Klar hat mein Portfolio alleine betrachtet idosynkratisches Risiko und ist nicht so gut diversifiziert wie HML oder sogar nur der large value Teil. Ob 10 Aktien reichen um ausreichend diversifiziert zu sein? Ich denke wenn man nur 10 Aktien im Portfolio hat, dann wird es eng -- in Kombination mit einem Weltdepot sehe ich da kein Problem.

 

Aber darum geht es auch garnicht. Mir geht es eher darum, dass das Portfolio dann exposure zum value Faktor hat, also zum systematischen Teil. Und dass der MSCI Europe Value das eben nicht hat. Der MSCI Europe eignet sich also nicht zum Value Premium abernten, zumindest im Sinne der originalen FF Faktoren.

 

 

e: und noch eine Sache. Es zeigt wie einfach man ex-post hohe Sharpe Ratios bekommen kann. Durch so eine idiotensichere Strategie kriegt man ein Sharpe Ratio von 0.8. Viele Mutual Fund Manager träumen davon. Zum Vergleich: Momentum hat ein Sharpe Ratio vn ebenso 0.8, aber weniger Rendite und weniger Volatilität. Die Strategie die 10 größten B/Ms zu kaufen jedes Jahr ist glaube ich ein Roulettespiel, das aber entlohnt wird. Es gehen auch öfter mal Unternehmen pleite oder verschwinden, in dem Fall nehme ich an, dass das Geld was man dadurch bekommt anteilsmäßig auf die anderen Werte im Portfolio reinvestiert wird.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Value Student

zum MSCI Produkt kann ich nichts sagen. Ich weiß nicht, wie der Index berechnet wird.

 

Ob das Ganze zusammen mit deinem Gesamtportfolio diversifiziert genug ist, will ich nicht beurteilen. Aber - wie gesagt - du willst das systematische Value Premium und für diesen Zweck ist das beschriebene Portfolio nur bedingt geeignet.

 

Ich würde mich nach besseren ETF Alternativen umsehen... Gibt es bestimmt.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
chamud

denoch kompliment für soviel aufwand, den du da bisher reingesteckt hast!

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
MCThomas0215

vielleicht helfen dir ja supertops Analysen weiter (#42 ist sehr interessant)

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
marky2k
· bearbeitet von marky2k

Ja, interessant. Also MSCI Value hat wohl nicht allzuviel mit dem dokumentierten Value-Prämien in Akademia zutun. Ich habe nochmal nachgedacht undmuss sagen, 'meine' Strategie ist der absolute Zock. Sie hat zwar mehr Exposure zum Value Faktor also der MSCI Index (beta von 4), aber auch ein Marktbeta von 13 (!!!). Wenn man ein wirkliches Factor Mimicking Portfolio wollte, dann sollten alle betas 0 sein außer das auf HML, das sollte genau 1 sein. Aber so ist es der absolute Zock. Hier die Wertentwicklung über 20 Jahre:

 

 

post-20452-0-29490700-1455788281_thumb.png

 

 

hml ist der value-faktor von FF, wml ist Momentum. Und die Leute sprechen immer von 'Momentum Crashes' (siehe 2008). Das kann mir hier kaum erkennen. Der Graph fängt bei 100 an, also wenn man 100€ Anfang 1995 investiert.

 

Wie gesagt, der absolute Zock, aber mit gutem Sharpe Ratio. Muss natürlich nicht zwangsweise is in der Zukunft auch so sein. Eine Sache wollte ich noch ausprobieren und zwar habe ich gelesen, dass Momentum und Value Strategien negativ korreliert sind. Also werde ich versuchen irgendwie noch Momentum in die Aktienauswahl einfließen zu lassen und schauen was das bringt.

 

 

e: ich kann das irgendwie auch nicht glauben, vielleicht habe ich einen Fehler gemacht. Oder vielleicht sind die Daten nicht so gut. Ich werde das nochmal mit US-Daten ausprobieren und schauen, ob etwas ähnliches bei rauskommt.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag

Erstelle ein Benutzerkonto oder melde dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Benutzerkonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Benutzerkonto erstellen

Neues Benutzerkonto für unsere Community erstellen. Es ist einfach!

Neues Benutzerkonto erstellen

Anmelden

Du hast bereits ein Benutzerkonto? Melde dich hier an.

Jetzt anmelden

×
×
  • Neu erstellen...