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Fondsmarkt

Bei der Fondsperformance trügt der Schein

Von Hanno Beck

 

 

07. März 2005 Jedes Kind, das "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer" gelesen hat, kennt auch Herrn Tur Tur. Herr Tur Tur ist nämlich ein Riese, aber ein ganz besonderer Riese: Je weiter entfernt er von seinem Betrachter steht, um so größer wird er; und je näher man ihm kommt, um so kleiner wird er, bis man vor ihm steht - dann ist er genauso groß wie ein normaler Mensch. Nun gibt es in der Wirklichkeit wohl keine solchen Scheinriesen, könnte man meinen - es sei denn, man kauft Fonds.

 

 

Um zu verstehen, wie es kommen kann, daß sich Fonds als Scheinriesen erweisen, muß man ein wenig zurückreisen in die jüngste Börsenvergangenheit: In diesen Tagen jährt sich nicht nur der Höhepunkt der vermeintlichen Jahrtausendhausse, sondern auch deren Tiefpunkt. Vor rund drei Jahren waren die maßgeblichen Indizes auf ihre Tiefstände gefallen, und das schlimmste war ausgestanden - oder ist es zumindest fürs erste. Für die Fondsmanager und ihre Gesellschaften waren es bis zum März 2003 keine schönen Zeiten: Die Wertentwicklung ihrer Produkte, das wichtigste Verkaufsargument der Branche, war teilweise unterirdisch.

 

50 Prozent Plus nach einem Verlust von 50 Prozent ist immer noch ein Verlust

 

Schaut man heute auf die Wertentwicklung vieler Fonds, so scheint die Baisse doch keine so ernsten Spuren hinterlassen zu haben: Der DWS Vermögensbildungsfonds I beispielsweise kann mit einem Plus von 44 Prozent aufwarten, den Anleger des Uni Global erfreut ein Plus von 37 Prozent und der Deka-Spezial-Kunde staunt über einen Wertzuwachs von mehr als 20 Prozent. Haben wir hier also doch Rendite-Riesen vor uns?

 

Möglicherweise nicht, denn was passiert, wenn man sich den Riesen ein paar Schritte nähert und sich die Wertentwicklung über einen anderen Zeitraum ansieht? So verbucht der DWS Vermögensbildungsfonds I auf fünf Jahre ein Minus von 24 Prozent, der Uni Global steckt 22 Prozent in den Miesen und der Deka Spezial hat das Vermögen seiner Anleger in diesem Zeitraum glatt halbiert. Daß die Fonds-Riesen sich deutlich verkleinern, wenn man sich ihnen nähert, liegt in diesem Fall am Betrachtungszeitraum: Die soliden Wertzuwächse haben die Fonds sich seit dem Tiefpunkt der Baisse erkämpft, die satten Minus-Zahlen hingegen zeigen, wie massiv und wie lange die Baisse ihre Spuren in den Wertentwicklungsstatistiken hinterläßt. Was viele Anleger dabei auch gerne vergessen: Wenn ein Fonds erst 50 Prozent fällt und sich dann wieder 50 Prozent erholt, steckt insgesamt gesehen immer noch in den Miesen.

 

Und die Fonds könnten noch kleiner werden, wenn man noch ein paar Schritte näher kommt. Das hängt mit der fünf-Jahres-Entwicklung der Fonds zusammen, die gerne zu Vergleichszwecken herangezogen wird: Vom März dieses Jahres an dürfte sich die Wertentwicklung nahezu aller Fonds fast ohne deren Zutun verbessern. Schuld daran ist ein sogenannter Basiseffekt: Vor genau fünf Jahren begannen die Kurse zu fallen. Das bedeutet, daß von März 2005 an die Vergleichsbasis für die Fünf-Jahres-Wertentwicklung immer weiter sinken wird, und zwar bis 2008. Mit anderen Worten: Ein Fonds, der die Rally 2004 nicht ganz verschlafen hat und 2004 sein Ergebnis einigermaßen gehalten hat, wird von sofort an seine Wertentwicklung auch dann verbessern, wenn er keine Kursgewinne mehr verbucht - ein simpler rechnerischer Effekt.

 

Je gößer der Verlust war, desto besser sihet optisch danach die Wertentwicklung aus

 

Ein Beispiel: Ein Anteilswert hat im Jahr 2000 auf 100 notiert und ist dann 2001 auf 25 gefallen; heute ist er wieder auf 50 geklettert. Vom Hoch bis heute hat er 50 Prozent verloren - das steht dann als Fünf-Jahres-Wertentwicklung in den Fondsprospekten. Steht der Fonds ein Jahr später immer noch bei 50, so sieht das auf einmal ganz anders aus: Im Jahr 2006 beträgt die fünf-Jahres-Wertentwicklung dann plus 50 Prozent - auch wenn der Fonds sich von 2005 auf 2006 nicht gerührt hat. Die Ursache für diese stellare Wertentwicklung ist allerdings nicht die großartige Leistung des Fondsmanagements, sondern einfach die Tatsache, daß die Basis für die Berechnung der Wertentwicklung nun nicht mehr 100, sondern 25 ist. Besonders perfide an diesem statistischen Hackentrick ist, daß die fünf-Jahres-Wertentwicklung eines Fonds um so mehr von diesem Effekt profitiert, je heftiger der Fonds zuvor in der Baisse gefallen ist - ist der Fonds im Beispiel nicht auf 25, sondern auf 10 gefallen, so verbessert sich die Wertentwicklung für die fünf Jahre von plus 50 auf plus 500 Prozent.

 

Der Finanzdienstleister SJB Fondsskyline hat einmal ausgerechnet, wie stark dieser Scheinriesen-Effekt auf bestehende Fonds durchschlägt. Das Ergebnis: Sollte beispielsweise der DWS Vermögensbildungsfonds I von heute an bis 2008 eine Wertentwicklung von Null aufweisen, so könnte er in 2008 in der Fünf-Jahres-Statistik ein Plus von 44 Prozent aufweisen; beim Uni Global wäre es ein Plus von 37 Prozent, beim Deka Spezial ein Plus von 21 Prozent - ohne Zutun des Managements. Ein Fonds wie der Templeton Growth hingegen, der sich auch in der Baisse achtbar schlug, hat aktuell eine Fünf-Jahres-Wertentwicklung von rund 20 Prozent plus - hätte in diesem Szenario im Jahr 2008 eine Wertentwicklung von 35 Prozent und würde damit im Vergleich blasser aussehen als seine zuvor wesentlich tiefer gefallenen Kollegen, da er von diesem Basiseffekt nicht profitiert. Ein echtes Paradoxon: Obwohl der Fonds in der Vergangenheit besser gelaufen ist als beispielsweise der Uni Global, weist er in der Projektion eine schlechtere Fünf-Jahres-Wertentwicklung als dieser auf - einzig aus statistischen Gründen.

 

"Statistische Betrachtungszeiträume über ein, drei oder fünf Jahre sagen recht wenig über die Leistung eines Fonds aus. Sinnvoller ist es, Fonds in rollierenden Zeiträumen zu betrachten und sich anzusehen, wie sie in verschiedenen Marktphasen abgeschnitten haben", sagt Gerd Bennewirtz von SJB Fondsskyline. Es ist also wie beim freundlichen Herrn Tur Tur: je näher man manchem Riesen kommt, um so kleiner kann er werden. Der konnte wenigstens noch einen guten Arbeitsplatz antreten, der für die meisten Fonds wohl ungeeignet wäre: Er wurde Leuchtturm auf Lummerland.

 

 

Text: F.A.Z., 08.03.2005, Nr. 56 / Seite 21

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