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klausk

Kapitalismus mit sozialem Gesicht

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klausk
· bearbeitet von klausk

Angst geht um -- allenthalben. Deutsche befürchten den Verlust des Sozialstaats. Immerhin steht im Grundgesetz 14.2: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Sie haben Angst vor "amerikanischen Verhältnissen" mit Hire and Fire. Das soziale Klima, das die Verfassung anpeilte, ist ohne Zweifel rauer geworden.

 

Eine bestimmte Gruppe von Amerikanern hat auch Angst. In ihrer Verfassung steht nichts von einer Sozialverpflichtung; sie haben befürchten vielmehr "europäische Verhältnisse" -- und die sind in ihren Augen gleichbedeutend mit sozialistischer Gängelung durch den Staat. Die Schreihälse der Rechten werden nicht müde, solche Schreckensvorstellungen zu verbreiten, und ihre Propaganda findet immer wieder Abnehmer.

 

Die Ängste haben zwar umgekehrte Vorzeichen, basieren aber gleichermassen auf Paranoia, irrationaler Furcht und Unwissenheit. Deshalb stelle ich zur Abwechslung mal eine Firma vor, die sowohl deutsche wie amerikanische Denkweisen herausfordert, weil ihre Einstellung den Arbeitnehmern gegenüber eher ins ("sozialistische") deutsche als in das ("kapitalistische") amerikanische Sozialklima passt: Lincoln Electric Holdings in Cleveland Ohio, Nasdaq-Ticker LECO (ISIN US5339001068, WKN 908231). Sie stellt vor allem Schweiss-Maschinen und -Zubehör her. Profil.

 

Sie garantiert ihren Angestellten "continuous employment for life". Was nicht "einen Job fürs Leben" bedeutet, solange er die Performance-Standards der Firma erfüllt. Der Job kann sich ändern, die Bezahlung auch, aber Lincoln Electric hat nach eigenen Worten in ihrer 115jährigen Geschichte noch nie Jemanden wegen Arbeitsmangel entlassen. Unter den Neuerungen waren bezahlter Urlaub (1923) und Mitarbeiteraktien (1925). 1934: Bonusse für alle; durchschnittlich waren es 70 Prozent des Arbeitseinkommens. (Das letzte Jahr war schlecht, da warens nur 38 Prozent: im Durchschnitt 17.500 Dollar für Jeden.) In der Grossen Depression stiegen die Arbeitseinkommen bei Lincoln auf das Doppelte, während die Preise für Schweisselektroden von 1929 bis 1942 von 16 Cents auf 6 Cents pro Pfund fielen. Der amerikanische Autor Frank Koller hat ein Buch darüber geschrieben ("Spark").

 

Das muss ich meinen republikanischen Freunden (viele sinds nicht) mal unter die Weste drücken. Der Clou ist natürlich, dass LECO sich nicht zu verstecken braucht, wenn Jemand das Wort "erfolgreich" streng kapitalistisch auslegt. Daten. Die Aktie ist nicht unbedingt ein "screaming buy", aber selbst Investor's Business Daily, sozialistischen/kommunistischen Denkens absolut unverdächtig, gibt LECO akzeptable Ratings. Dividend Yield der letzten fünf Jahre 1,8%. Dreimal soviel Cash wie Schulden, satter Cashflow.

 

http://aktien.onvista.de/charts.html?ID_OSI=91118&TIME_SPAN=10Y&ID_NOTATION_BENCHMARK=&SHOW_TECH_FIGURES=0&ID_EXCHANGE=75&TYPE=LINE&SCALE=log&SUPP_INFO=0&AVG1=0&AVG2=0&VOLUME=1&ID_NOTATION_COMP1=0&COMP_WKN_ISIN=&IND1=&IND2=&send.x=78&send.y=7#chart_01

 

Könnte diese amerikanische Firma eine Vorbildfunktion haben? Gibt es hier IG-Metaller unter uns oder andere Gewerkschafter, die Lincoln Electric kommentieren wollen?

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H.B.

 

Könnte diese amerikanische Firma eine Vorbildfunktion haben? Gibt es hier IG-Metaller unter uns oder andere Gewerkschafter, die Lincoln Electric kommentieren wollen?

 

Darf ich auch kommentieren, auch wenn ich weder das eine noch das andere bin?

 

Mein Verständnis von Kapitalinvestments geht in die Richtig, dass ich dazu beitrage, den jeweils gerechten Preis für ein Asset zu finden.

Wenn ein Unternehmen hoch soziale Standards hat, ist dies natürlich unter strategischen Aspekten bemerkenswert.

 

Mein Eindruck ist, dann man dieses Geschäftsmodell am wirkungsvollsten durch den Kauf von Kunden der Company am Leben erhält.

Dann kann man nämlich wieder die bekannten Auswahlkriterien ansetzen und sich gut fühlen, wenn der Aktienpreis des Kunden dank der Qualität der Company stark steigt.

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Grumel
· bearbeitet von Grumel

Firmenspezifische implizite soziale Absicherung funktioniert nicht, oder bestenfalls in nischen mit extrem geringe Umweltveränderung (typischerweise öffenlticher Dienst). Siehe Japan, fällt alles auseinander dort, obwohl die gesamte gesellshaft viel stärker darauf ausgereichtet als die Amerikanische oder auch Deutsche.

 

Denke die Zukunft liegt eher im nordeuropäischen Modell, mit starkem Staat aber einem privaten Sektor der volles Risiko agieren kann.

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WOVA1

 

Könnte diese amerikanische Firma eine Vorbildfunktion haben? Gibt es hier IG-Metaller unter uns oder andere Gewerkschafter, die Lincoln Electric kommentieren wollen?

 

Nur schade, dass dieses Teil an deutschen Börsen kaum gehandelt wird..

 

Vielleicht geht ja mal ein Pensionsfonds aus dem Gewerkschaftlager mutig voran und holt ein paar Stück über den grossen Teich ?

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Orwell

Die Frage ist doch, worauf die sozialen Standards dieser Firma zurückzuführen sind. Ist es wirklich gewerkschaftlicher oder staatlicher Einfluss, wie hier suggeriert wird?

 

Oder ist es nicht vielmehr Vertragsfreiheit mit philanthropischem Antlitz? So eine Firma gibt es bei uns auch. Trigema. Aber das hat eben auch seinen (Endkunden-) Preis.

 

Dass viele US-Amerikaner Angst vor einem zu starken, ausbeutenden und bevormundenden Staat haben ist absolut berechtigt, wenn man bedenkt, was bei uns alles an Verboten etc. abgeht. Beschlagnahmung von Red Bull Cola, sowie wöchentlich neuer Verbotsforderungen seitens der politischen Nomenklatura.

 

Schon Eisenhower hat seine Landsleute in seiner Abschiedsrede vor dem wachsenden militärisch-industriellem-Komplex gewarnt.

 

M. E. wird es langsam Zeit für einen zweiten fiskalischen Bürgerkrieg (nach dem Unabhängigkeitskrieg), wie ihn auch der Philosoph Sloterdijk (für Europa?) fordert.

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klausk
· bearbeitet von klausk

Die Frage ist doch, worauf die sozialen Standards dieser Firma zurückzuführen sind. Ist es wirklich gewerkschaftlicher oder staatlicher Einfluss, wie hier suggeriert wird?

 

Oder ist es nicht vielmehr Vertragsfreiheit mit philanthropischem Antlitz? So eine Firma gibt es bei uns auch. Trigema. Aber das hat eben auch seinen (Endkunden-) Preis.

Meine Formulierung "Vorbildfunktion" meinte etwas in dieser Richtung. Nur möchte ich das nicht Philantropie nennen, eher schon gute Unternehmensplanung. In guten Zeiten Besitzstände zu "erkämpfen" und sie in schlechten Zeiten mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, wie Gewerkschaften es tun, ist falsch. Das ist kein Angriff auf die Arbeitnehmerseite, denn die "andere Seite" agiert genau so. Die AGs fordern oft "Flexibilität" und meinen damit meist nichts Anderes als niedrigere Löhne und den Wegfall von Kündigungsschutz. Die Probleme tauchen gewöhnlich dann auf, wenn die Zeiten mal nicht mehr so gut sind -- und dann sehen die AGs die Lösung in Kündigungen (ohne Rücksicht auf ihre ANs), während ANs den Besitzstand wahren wollen (ohne Rücksicht auf ihre AGs). Dabei sind sie beide, AG wie AN, Teile desselben -- wertschaffenden -- Organismus.

 

Alle Beteiligten am Erfolg eines Unternehmens müssen daran Anteil haben. Erfolgsbeteiligung bedeutet aber auch Beteiligung am Misserfolg -- das gilt ebenso fürs Management (inklusive Banken und erst recht für Investmentbanken). Ich sehe ein Unternehmen als einen lebenden Organismus, der sich an ein ständig wechselndes Umfeld anpassen muss. Tiere können sich anpassen, Menschen auch, nur "juristische Personen" haben damit Probleme. Shakespeare's berühmter Spruch "The first thing we do, let's kill all the lawyers" spielt auf den Unterschied zwischen (dem von den Lawyers ausgebeuteten) Gesetz und (dem angestrebten) Recht ("justice"=Gerechtigkeit) an.

 

Die juristische Person namens "Unternehmen" hat bekanntlich drei Komponenten (ich nenne sie Gene): Idee, Mittel und Umsetzung. Verwirklicht durch Management, Kapital und Arbeit. Idealerweise hat das Management gute Ideen und weiss sie umzusetzen. Es nutzt das Kapital zur Schaffung von Mehrwert. Arbeit realisiert die von Ideen und Kapital gegebenen Möglichkeiten. Alle drei Komponenten bestimmen den Mehrwert oder Erfolg. Alle drei Komponenten müssen daher am Erfolg (oder Misserfolg) beteiligt sein. Das geht nun mal nicht gut, wenn das angestrebte Zusammenwirken auf Verträgen beruht, die Dinge wie Jobbeschreibung und Entgelt ein für allemal festschreiben und Änderungen des Umfelds, die jederzeit eintreten können, schlicht ignorieren.

 

Lincoln Electric hat hier einen Weg aufgezeigt. Trigema anscheinend auch -- hast du nähere Informationen?

 

Dass viele US-Amerikaner Angst vor einem zu starken, ausbeutenden und bevormundenden Staat haben ist absolut berechtigt, wenn man bedenkt, was bei uns alles an Verboten etc. abgeht.

Mit "stark, ausbeutend, bevormundend" meinst du wohl kaum die USA, oder? Falls doch, sag's mir etwas deutlicher und bitte mit Beispielen.

 

PS: "Soziale Standards" (@Orwell). Das Wort "sozial" wird in D (in my humble opinion) oft falsch benutzt. "Sozial schwach" gilt als gleichbedeutend mit "arm", und Hartz4 ist gleich "asozial". In meinem persönlichen Wertesystem ist ein Asozialer Jemand, der sich ausserhalb gesellschaftlicher Werte stellt (Beispiele: Kindermörder; Serienstraftäter; Rassisten; Investmentbanker, die auch dann noch Boni wollen, wenn sie die ganze Welt an den Rand der Katastrophe gebracht haben; Steuerhinterzieher und Andere, die nur den eigenen Vorteil im Sinn haben -- das exakte Gegenteil von Grundgesetz Paragraph 14.2!).

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Roter Franz

 

 

Sie garantiert ihren Angestellten "continuous employment for life". Was nicht "einen Job fürs Leben" bedeutet, solange er die Performance-Standards der Firma erfüllt. Der Job kann sich ändern, die Bezahlung auch, aber Lincoln Electric hat nach eigenen Worten in ihrer 115jährigen Geschichte noch nie Jemanden wegen Arbeitsmangel entlassen. Unter den Neuerungen waren bezahlter Urlaub (1923) und Mitarbeiteraktien (1925). 1934: Bonusse für alle; durchschnittlich waren es 70 Prozent des Arbeitseinkommens. (Das letzte Jahr war schlecht, da warens nur 38 Prozent: im Durchschnitt 17.500 Dollar für Jeden.) In der Grossen Depression stiegen die Arbeitseinkommen bei Lincoln auf das Doppelte, während die Preise für Schweisselektroden von 1929 bis 1942 von 16 Cents auf 6 Cents pro Pfund fielen. Der amerikanische Autor Frank Koller hat ein Buch darüber geschrieben ("Spark").

 

 

Hut ab klausk, so eine Firma erst einmal zu finden.

Noch interessanter ist, das die Firma schon 115, extrem erfolgreich am Markt agiert.

 

Photo Porst, hat ja in den 70 Jahren ein ähnliches Experiment gestartet, das aber , leider im Konkurs endete

 

Auf jeden Fall fördert so ein Model das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter zum Unternehmen.

Dieses Gefühl wiederum beeinflusst ganz maßgeblich die Qualität der Produkte.

-> Mehr Kundenzufriedenheit -> mehr Aufträge-> mehr zufriedene Mitarbeiter -> usw.

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klausk
· bearbeitet von klausk

Auf jeden Fall fördert so ein Model das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter zum Unternehmen.

Dieses Gefühl wiederum beeinflusst ganz maßgeblich die Qualität der Produkte.

-> Mehr Kundenzufriedenheit -> mehr Aufträge-> mehr zufriedene Mitarbeiter -> usw.

Danke. Das ist es, was ich sagen wollte. Denn wir Anleger sind Teil der Schaffung von Mehrwert -- it's our business.

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klausk
· bearbeitet von klausk

Hut ab klausk, so eine Firma erst einmal zu finden.

Noch interessanter ist, das die Firma schon 115, extrem erfolgreich am Markt agiert.

 

Photo Porst, hat ja in den 70 Jahren ein ähnliches Experiment gestartet, das aber , leider im Konkurs endete

Na ja, "extrem" finde ich extrem. Aber 115 Jahre lang zu bestehen ist schon stark in einem Land, wo zwanzig Jahre eine Tradition begründen können. Und wie ich sagte, LECO ist ok aber kein screaming buy. Und "gefunden" habe ich LECO auch nicht. Das ist das Verdienst von National Public Radio, das ein Interview mit dem Autor von "Spark" brachte (NPR ist ein zu über 98% von Mitgliedern und Spendern finanzierter Sender).

 

Photo Porst ist interessant; wird in D als "kommunistisch" abgetan. Irgendwie kommt mir die Formulierung bekannt vor -- in rechten Kreisen Amerikas gilt alles, was von Opa Reagan's Credo abweicht, als "liberal, socialist, nazi, and communist". Die Firma Porst wurde 1919 gegründet, 1972 komplett auf die Mitarbeiter übertragen und ging 2002 pleite. Von der vielleicht guten Absicht mal abgesehen hat Porst wenig Ähnlichkeit mit Lincoln Electric.

 

Mir gehts weniger um den "linken" Aspekt -- IT'S GOOD BUSINESS, den Beitrag der Mitarbeiter zum Erfolg des Unternehmens zu respektieren und zu belohnen.

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sekino

 

Photo Porst ist interessant; wird in D als "kommunistisch" abgetan. Irgendwie kommt mir die Formulierung bekannt vor -- in rechten Kreisen Amerikas gilt alles, was von Opa Reagan's Credo abweicht, als "liberal, .....

 

"Es stimmt: Ich bin Millionär und Marxist"; Originalzitat eines Statements von Hannsheinz Porst aus einem Interview, das er 1968 dem SPIEGEL gab. Er bezeichnet sich also selbst als Marxist, insofern darf er schon als Kommunist bezeichnet werden.

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Orwell

 

Photo Porst ist interessant; wird in D als "kommunistisch" abgetan. Irgendwie kommt mir die Formulierung bekannt vor -- in rechten Kreisen Amerikas gilt alles, was von Opa Reagan's Credo abweicht, als "liberal, .....

 

"Es stimmt: Ich bin Millionär und Marxist"; Originalzitat eines Statements von Hannsheinz Porst aus einem Interview, das er 1968 dem SPIEGEL gab. Er bezeichnet sich also selbst als Marxist, insofern darf er schon als Kommunist bezeichnet werden.

 

Und ein Stasi-Schwein ist er obendrein auch noch.

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klausk
· bearbeitet von klausk

....

 

 

Photo Porst ist interessant; wird in D als "kommunistisch" abgetan. Irgendwie kommt mir die Formulierung bekannt vor -- in rechten Kreisen Amerikas gilt alles, was von Opa Reagan's Credo abweicht, als "liberal, .....

 

"Es stimmt: Ich bin Millionär und Marxist"; Originalzitat eines Statements von Hannsheinz Porst aus einem Interview, das er 1968 dem SPIEGEL gab. Er bezeichnet sich also selbst als Marxist, insofern darf er schon als Kommunist bezeichnet werden.

Und? Ist deshalb das Geschäftsmodell von Lincoln Electric irgendwie solches?

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Stairway
· bearbeitet von Stairway

Angst geht um -- allenthalben. Deutsche befürchten den Verlust des Sozialstaats. Immerhin steht im Grundgesetz 14.2: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Sie haben Angst vor "amerikanischen Verhältnissen" mit Hire and Fire. Das soziale Klima, das die Verfassung anpeilte, ist ohne Zweifel rauer geworden.

 

Eine bestimmte Gruppe von Amerikanern hat auch Angst. In ihrer Verfassung steht nichts von einer Sozialverpflichtung; sie haben befürchten vielmehr "europäische Verhältnisse" -- und die sind in ihren Augen gleichbedeutend mit sozialistischer Gängelung durch den Staat. Die Schreihälse der Rechten werden nicht müde, solche Schreckensvorstellungen zu verbreiten, und ihre Propaganda findet immer wieder Abnehmer.

 

Die Ängste haben zwar umgekehrte Vorzeichen, basieren aber gleichermassen auf Paranoia, irrationaler Furcht und Unwissenheit. Deshalb stelle ich zur Abwechslung mal eine Firma vor, die sowohl deutsche wie amerikanische Denkweisen herausfordert, weil ihre Einstellung den Arbeitnehmern gegenüber eher ins ("sozialistische") deutsche als in das ("kapitalistische") amerikanische Sozialklima passt: Lincoln Electric Holdings in Cleveland Ohio, Nasdaq-Ticker LECO (ISIN US5339001068, WKN 908231). Sie stellt vor allem Schweiss-Maschinen und -Zubehör her. Profil.

 

Sie garantiert ihren Angestellten "continuous employment for life". Was nicht "einen Job fürs Leben" bedeutet, solange er die Performance-Standards der Firma erfüllt. Der Job kann sich ändern, die Bezahlung auch, aber Lincoln Electric hat nach eigenen Worten in ihrer 115jährigen Geschichte noch nie Jemanden wegen Arbeitsmangel entlassen. Unter den Neuerungen waren bezahlter Urlaub (1923) und Mitarbeiteraktien (1925). 1934: Bonusse für alle; durchschnittlich waren es 70 Prozent des Arbeitseinkommens. (Das letzte Jahr war schlecht, da warens nur 38 Prozent: im Durchschnitt 17.500 Dollar für Jeden.) In der Grossen Depression stiegen die Arbeitseinkommen bei Lincoln auf das Doppelte, während die Preise für Schweisselektroden von 1929 bis 1942 von 16 Cents auf 6 Cents pro Pfund fielen. Der amerikanische Autor Frank Koller hat ein Buch darüber geschrieben ("Spark").

 

Das muss ich meinen republikanischen Freunden (viele sinds nicht) mal unter die Weste drücken. Der Clou ist natürlich, dass LECO sich nicht zu verstecken braucht, wenn Jemand das Wort "erfolgreich" streng kapitalistisch auslegt. Daten. Die Aktie ist nicht unbedingt ein "screaming buy", aber selbst Investor's Business Daily, sozialistischen/kommunistischen Denkens absolut unverdächtig, gibt LECO akzeptable Ratings. Dividend Yield der letzten fünf Jahre 1,8%. Dreimal soviel Cash wie Schulden, satter Cashflow.

 

http://aktien.onvista.de/charts.html?ID_OSI=91118&TIME_SPAN=10Y&ID_NOTATION_BENCHMARK=&SHOW_TECH_FIGURES=0&ID_EXCHANGE=75&TYPE=LINE&SCALE=log&SUPP_INFO=0&AVG1=0&AVG2=0&VOLUME=1&ID_NOTATION_COMP1=0&COMP_WKN_ISIN=&IND1=&IND2=&send.x=78&send.y=7#chart_01

 

Könnte diese amerikanische Firma eine Vorbildfunktion haben? Gibt es hier IG-Metaller unter uns oder andere Gewerkschafter, die Lincoln Electric kommentieren wollen?

 

Klaus, ein sehr schöner Beitrag!

 

In Deutschland gibt es eine ähnliche Firma, Maschinenbauer Hermle aus Baden-Würrtemberg. Die fahren eine Politik wie ich sie mag. Da das CNC Geschäft doch sehr zyklisch ist, haben die einfach die Gehälter und Dividende (bei sind zusätzlich noch gekopplet, d.h. keine Ausschüttung ohne Gehaltserhöhung) an die Wirtschaftszyklen gekoppelt. Wenn es gut läuft (und dann brummt der Laden richtig [uR:20%]) bekommen die Mitarbeiter das auch finanziell mit. Selbst im Krisenjahr 2009 - insbesondere für den Maschninenbau - mit einem Umsatzrückgang um 50 % hat das Unternehmen weiter Mitarbeiter eingestellt und einfach alle Arbeiter die keine Aufträge hatten in die F&E Abteilung geschickt. Wenn die Wirtschaft wieder anzieht hat dieses Unternehmen einfach einen unfassbaren Vorsprung vor den Wettbewerbern, da man das schon seit Jahrzehnten so durchzieht, ist dieser eh schon himmelweit.

 

Die Rede des VV auf den Hauptersammlungen kann man sich auf der Seite hermle.de durchlesen, das hört sich zuerst einmal nach Wunschdenken an, aber dieses Unternehmen lebt die Philiosophie und das sieht man auch an den Zahlen. Ach ja, nach 50 % Umsatzrückgang und trotzdem mehr Mitarbeitern als im Vorjahr zahlt man auch dieses Jahr wieder einen Konzernweiten Bonus und ist dennoch im grünen Bereich geblieben. Aber gut, die Welt will sich ja um jeden Preis hochleveragen um eine hohe Rendite zu erzielen. Oh, das tut Hermle ja trotzdem - na sowas.

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klausk
· bearbeitet von klausk

Gut zu wissen, dass es tatsächlich Firmen gibt, deren Vorstände tun, was sie ständig sagen: dass ihre Mitarbeiter ihr grösstes Kapital sind -- nennen wir's mal gleich wichtiges Kapital. Die Shareholder Value durch Stakeholder Value ersetzen. Stakeholders sind alle, die zum Geschäft beitragen und ein Interesse an dessen Erfolg haben.

 

Interessant auch, dass weder Hermle noch Lincoln Electric Druck von aussen brauchten, um so das offensichtlich Richtige zu tun. Weder Gewerkschaften noch Regierungen hatten damit zu tun.

 

Deshalb nochmal meine Frage an Gewerkschaften und an die "Freie Wirtschaft": Vorbildfunktion?

 

Oder ganz konkret: Könnte deine Firma Dasselbe tun? Gleich nächsten Monat?

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Orwell
· bearbeitet von Orwell

Mit "stark, ausbeutend, bevormundend" meinst du wohl kaum die USA, oder? Falls doch, sag's mir etwas deutlicher und bitte mit Beispielen.

 

http://www.youtube.com/watch?v=_Wl6_8hKI7A

 

 

http://www.youtube.com/watch?v=HaG9d_4zij8

 

André Shepherd meldete sich zur US-Armee. Als man ihn aber zum zweiten Mal in den Irak schicken wollte, verließ er unerlaubt die Truppe. "Ich wollte kein Blut an meinen Händen." Weil Shepherd in den USA eine lange Haft erwartet, hofft er in Deutschland auf Asyl – mit der heiklen Begründung, der Krieg sei völkerrechtswidrig.

 

http://www.welt.de/politik/deutschland/article6657346/Das-heikle-Asylgesuch-eines-US-Soldaten.html

 

Über CIA, Pentagon und Co. brauchen wir ja gar nicht erst reden.

 

:-

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