"Blind" auf "Massenanalystenmeinungen" vertrauen können?

[EmilioShark]

Hallo liebe Forumsmitglieder,

 

Ich habe eine relativ "stupid" klingende und etwas provokante Frage

 

Denkt ihr, dass es möglich ist, auf Analystenmeinungen blind zu vertrauen, wenn z.B. eine Aktie 17 "kaufen", 7 "halten" und 0 "verkaufen" hat? Ich beziehe das beispielsweise auf den Analystencheck des Handelsblatts. Unter folgendem Link, wie ihr sicherlich alle wisst, erreichbar: http://finanzen.hand...ck.htn?offset=7

 

Hier gibt es beispielsweise Aktie, die eine geradezu phänomenale Bewertung haben... Beispiele:

 

ENI: 17/7/0

 

Bilfinger: 13/13/2

 

Lafarge 12/2/0

 

etc. etc.

 

Wenn eine Aktie 10-20 positive Stimmen hat und 0-3 negative Stimmen, dann kann man doch übertrieben gesagt "blind" zugreifen. Ich meine, man kann selbst doch sowieso die Angelegenheiten nicht besser analysieren als diejenigen, die diese Analystenkommentare verfassen.

 

Ich würde mich über eure Meinungen freuen und hoffe auf eine rege Diskussion

 

Liebe Grüße

 

 

Edit: Der Untertitel soll natürlich heißen: "In Referenz z.B. auf den Analystencheck des Handelsblatts". Sorry!

[Dandy]

Problem ist dass diese Analysten oftmals etwas bezwecken - und das ist oft nicht das was gut für Dich ist. Ich glaube aber Leverman hat eine Strategie vorgestellt die unter Anderem Analystenmeinungen einbezieht. Such mal danach.

[klausk]

Führ dir vor Augen, dass Analysten in eine von zwei Gruppen fallen: die "Buy Side"- und die "Sell Side"-Analysten. Und stell dir die Frage: Wovon lebt ein Analyst?

 

Die "Buy Side"-Analysten werden von Grossanlegern bezahlt, die ihre Gelder nutzbringend anlegen müssen. Das können z.B. grosse, aktive Fonds sein, Versicherungen, Pensionskassen und Andere. Von deren Erkenntnissen erfahren wir nichts.

 

Die "Sell Side"-Analysten pusten ihre Meinung gratis und franko in die Welt. Unter ihnen gibt es wiederum drei Gruppen.

 

1 - Die eine Gruppe wird von Leuten bezahlt, die an nichts Anderem als an regem Aktienhandel interessiert sind: Banken/Börsen/Broker, die an Gebühren verdienen, sowie die Medien, die das Interesse am Aktienhandel erhöhen wollen und ihrerseits mit Werbung Geld verdienen.

 

2 - Eine andere Gruppe der "Sell Side"-Analysten besteht aus Leuten, die Reklame machen. Mal für diese Aktien, mal für jene. Das nenne ich Manipulation. Ich nehme an, dass diese Leute idR auf eigene Rechnung arbeiten, wenn sie Aktien pushen (weil sie selbst investiert sind) oder sie schlecht reden (weil sie Short-Interessen haben). Die reden meist über "schnell reich werden" und über Pennystocks oder Aktien mit sehr geringem Handelsvolumen, die leicht zu manipulieren sind. Deren "Meinungen" solltest du vergessen oder besser gar nicht zur Kenntnis nehmen.

 

3 - Dann gibt es noch die Gruppe von Leuten, die sich selbst vermarkten: als TV-Gurus, Buchautoren oder Seminarveranstalter. Mit anderen Worten: die hoffen, damit mehr Geld als mit dem Aktienhandel verdienen zu können.

 

Unschwer zu erraten, dass ich die Gruppen 2 und 3 unter den Tisch fallen lasse. Full disclosure: Ich kaufe keine Aktie (und verkaufe selten eine), ohne die Ratings einer Finanz-Tageszeitung (Investor's Business Daily, IBD) zu konsultieren. Die analysiert täglich über 10000 US-Aktien, deren Fundamentaldaten und Kursverläufe, um diese Ratings zu bilden. Leider gibt es m.W. in Deutschland kein Äquivalent. Auf die Äusserungen von TV-Sendern wie CNBC und selbst Bloomberg gebe ich so gut wie nichts.

 

Unterm Strich: Kostenlose Information ist jeden Cent wert, den du dafür bezahlst.

[EmilioShark]

Klar, das sehe ich genauso... ich würde nie 1, 2 oder auch 5 Analystenkommentaren blind vertrauen. Wenn jedoch - um ein anderes Beispiels zu nennen - insgesamt 35 auf "buy" und 24 auf "neutral" stehen, kann der Grundtonus doch "abgeschöpft" werden. Wenn dann noch das gemittelte Kursziel um die 15% höher als der aktuelle Kurse ist, zuckt der Finger doch schon ein wenig. Klar, eine Sicherheit gibt es natürlich nie, aber solche Einschätzungen sind für mich dann schon "vertrauenswürdig".

 

Womöglich mache ich mal eine Studie und zieh alle Titel mit außordentlich guten Analysen in die Watchlist und schau, was in 3 Monaten rausgekommen wäre. Wobei... dann nervts mich wieder, dass ich es nicht in real gemacht habe

[Ramstein]

Dann mach's doch mit realem Geld. Dann ist der Lerneffekt auch größer.

[Schinzilord]

Harvey, Campbell R., Rattray, Sandy, Utans, Joachim and Mawji, Yasser, Do European Brokers Add any Value Through Recommendations? (September 1, 2009). Available at SSRN: http://ssrn.com/abstract=1572826 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.1572826

[Maikel]

Ein wesentliches Problem sehe ich darin, daß solche Analysen zu bestimmten Zeitpunkten bezogen auf den Tageskurs und das dann herrschende Umfeld gemacht werden.

 

Wenn die empfohlenen Aktie eine Woche später, vielleicht auch aufgrund der Analyse, 20% höher steht, dann wird sie in den Auflistungen immer noch mit "kaufen" geführt, obwohl diese Empfehlung zum aktuellen Kurs gar nicht mehr gelten würde.

[Schinzilord]

Dann legt man seinen eigenen Kaufkurs fest: Anlysten Mittelwert - 10% oder so, dann bleibts aktuell.

[Nudelesser]

Ein wesentliches Problem sehe ich darin, daß solche Analysen zu bestimmten Zeitpunkten bezogen auf den Tageskurs und das dann herrschende Umfeld gemacht werden.

 

Wenn die empfohlenen Aktie eine Woche später, vielleicht auch aufgrund der Analyse, 20% höher steht, dann wird sie in den Auflistungen immer noch mit "kaufen" geführt, obwohl diese Empfehlung zum aktuellen Kurs gar nicht mehr gelten würde.

 

Genau, selbst wenn es hin und wieder nicht interessengeleitete "Sell-side" Analysen geben sollte, landen diese zuerst auf geheimnisvollen Wegen im Eigenhandel, werden dann guten institutionellen Kunden zugeflüstert und wenn der Drops gelutscht ist darf sie auch die gemeine Öffentlichkeit lesen...