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Sapine

Schwarzer Schwan oder Drachenkönig (Black Swan or Dragon King)

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Sapine

Prof. Didier Sornette, Physik-Wissenschaftler an der ETH Zürich und Leiter des Financial Observatory ist mir durch den Artikel Blasen in Märkten früher erkennen bei Institutional-money.com aufgefallen.

 

Es ist vor allem die Gewichtung und die Bedeutung von Dynamiken im Risiko, was uns unterscheidet. Wir betrachten Risiko nicht unter dem Blickwinkel ­eines Value at Risk als einer der am weites­ten verbreiteten Methoden zu dessen Messung.

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Statt ­dieser viel zu statischen Betrachtung von Risiko bedarf es unserer Ansicht nach einer deutlich stärkeren Berücksichtigung der tatsächlichen Dynamik der Veränderungen und des Entstehens neuer Risikofaktoren.

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Ich behaupte, dass bei allen krisenhaften Zuspitzungen und anschließendem Platzen von Blasen an den Finanzmärkten die Vorstellung, man befinde sich sozusagen im Übergang in eine neue, vollkommen andere Zeit, eine Rolle gespielt hat. Das trifft auf die Übertreibungen im Zusammenhang mit dem Boom von Eisenbahnaktien im 19. Jahrhundert genauso zu wie auf den Börsencrash von 1929 oder eben das Platzen der Technologieblase im Jahr 2000. Immer hatten die Menschen dieser Zeit die enorm ausgeprägte Erwartung, dass alte Bewertungsmodelle über Bord geworfen gehören, weil sie glaubten, dass Innovationen der jeweiligen Zeit für ein nicht enden wollendes Wachstum sorgen würden.

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Gleichzeitig hat genau diese Erwartungshaltung einer sehr viel schneller eintretenden und alles verändernden Entwicklung dazu geführt, dass Investoren an den Aktienmärkten zunächst für eine enorme Übertreibung gesorgt haben, der aber dann die Ernüchterung und in deren Folge der Crash der Börsen folgte. Das ist ein immer wieder auftretendes Muster, das aufgrund eines prozyklischen Verhaltens der Marktakteure entsteht.

...

Weil solche unvorhersehbaren Ereignisse extrem selten vorkommen, finden sie in der Regel keine Berücksichtigung in entsprechenden Modellen. Das ist auch bei Value-at-Risk-Berechnungen das Problem. Wenn ein solches Modell sich auf tägliche Returns bezieht, wird es die Gefahr, die aus einem Rückgang des Aktienmarktes in Höhe von 30 Prozent erwächst, nicht erfassen, wenn dieser in zwar kleinen, aber an aufeinanderfolgenden Tagen auftretenden Schritten von etwa zehn Prozent vonstatten geht.

...

In Abgrenzung zum Bild des Schwarzen Schwans bezeichnen wir extreme Vorkommnisse als „Dragon King“, benannt nach dem aus der chinesischen Mythologie stammenden Herrscher über die Meere.

 

Der gute bringt soweit ich das sehe einiges an Gedankengut aus der Physik mit ein. Aktuell aber seit ein paar Jahren ist er fachfremd im Bereich Wirtschaft unterwegs.

 

Hier ein kleiner Film zu einem Vortrag von ihm und dazu passend deutlich ausführlicher mit mehr Beispielen und den konkreten Betrachungen die PDF dazu. Lasst Euch von den ersten Seiten nicht abhalten, da funktioniert die Animation nicht gescheit, danach aber gut lesbar.

 

Video (englisch):

 


  •  
  • Dragon Kings and Predictions
  • Reverse Engineering Financial Markets with Mixed Agent-Based Games

Dragon_king.pdf

Sornette_Reverse Engineering Financial Markets.pdf

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€-man

Sapine, vielleicht werden wir alle zu gekochten Fröschen.

 

Die Möglichkeit dazu steigt bei denen mit den wenigsten Lebensjahren und einer "stringenten" und gleichzeitig statischen Risikoeinschätzung der Anlageklassen. Bei denen wird m. E. die Temperatur im Topf weitaus schneller steigen, als bei den "unorthodoxen" Anlegern. Ob dann letztere zumindest solange ausharren können, bis dem Drachenkönig das Feuer ausgeht, bleibt dennoch ungewiss.

 

Ansonsten kann ich dem Herrn Professor relativ gut folgen, wenngleich ich doch dem guten Cygnus atratus seinen wichtigen Platz einräumen möchte. Der Grund ist, dass ich mit Cygnus immer schon Ereignisse außerhalb von platzenden Blasen verband.

 

Um den Drachenkönig zu sehen, fehlen mir leider die Mittel, die Meister Sornette hat. Allerdings haben Drachenkönige einen bestimmten Geruch und es reicht mir eigentlich aus, wenn mir dieser in die Nase steigt.

 

Gruß

€-man

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Sapine

Wer wird denn Frösche kochen, die wirft man entweder an die Wand oder man küsst sie :rolleyes:

 

Hier noch ein nettes Bildchen zur

Market Bubble Watch overview

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Akaman

Wer wird denn Frösche kochen, ... man küsst sie :rolleyes:

Wieder mal der Beweis: Frauen denken doch immer nur an das eine.

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Sapine

Das update zum Bubble-watch overview. Mein Eindruck ist, das "rote" nimmt zu. Einzig Öl gibt einen satt grünen Fleck.

post-8479-0-74688400-1419027863_thumb.jpg

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nuncta

Erstmal danke für den Hinweis, den besagten Herrn kannte ich noch nicht. Generell bin ich bei TED Talks immer etwas skeptisch, denn diese stellen oft für das Denken in etwa das dar, was Mario Barth für den Humor bedeutet. Ebenso bin ich skeptisch, wenn eine Methode gleichsam für Finanzblasen, Schwangerschaften und Gletscherunglücke funktionieren soll. "Dragon King" klingt schon wie eine griffig gewählte Marketingformel für ein wissenschaftliches Konzept, auch da bleibe ich erstmal skeptisch (lasse mich aber wie immer gerne vom Gegenteil überzeugen).

 

Bisher halte ich alles, was die Zukunft von Menschen gemachten, multikomplexen Systemen als Modell abbilden und berechnen möchte, für Mumpitz (ich hoffe es liest kein Charttechniker mit). Es ist die übliche Allmachtsphantasie naturwissenschaftlichen Denkens, man könne die Weltformel dann doch noch irgendwann berechnen: man bräuchte einfach nur genügend Daten.

 

Und eben an dem Punkt sagt Taleb ja etwas komplett anderes: dass nämlich Krisen in Extremistan nicht vorhersagbar seien, weil Risiko eben nicht per Gaußscher Glockenkurve oder sonstigem mathematischem Modell abbildbar sei. Leider ist bei ihm wiederum der Rant vom Inhalt schwer zu differenzieren.

 

Mir behagen Sornettes politische Ideen bzgl. der Planbarkeit nicht. Man gibt sich ganz unideologisch und sieht sich rein als Zuliefererbetrieb der Politik, der en passant diagnostiziert, dass Menschheit und exponentielles Wachstum ganz furchtbar sei. Warum denn? Man trifft hier normative Aussagen und baut bereits auf zahlreichen, unbenannten Prämissen auf. Als würde es einen idealtypischen Verlauf für Menschheit geben. Die Realität wird als hysterisch (d.h. als Bubble) erklärt, wenn sie sich nicht an das schöne, vor Experten erdachte Modell hält. Wer einen Hammer in der Hand hält, sieht überall Nägel und wer eine exponentielle Kurve als Modell hat ... Nun ja.

Super an dem Vortrag fand ich allerdings die Idee der mit Versatz veröffentlichten Berichte - um diese Feedbackschleife der selbsterfüllenden Prophezeihung zu vermeiden.

 

Was Robert Shiller, Nassim Taleb und Didier Sornette zur Krise sagen, unterscheidet sich doch deutlich, wäre mal interessant diese Ansätze näher zu vergleichen.

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kafkaesk93
· bearbeitet von kafkaesk93

Sornette vs. Taleb:

 

Ich kann es nur schwer beurteilen aber Sornette hört sich für mich wie die personifizierte Anmaßung von Wissen an...whistling.gif

 

Gruß kafkaesk93

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Maciej

Man gibt sich ganz unideologisch und sieht sich rein als Zuliefererbetrieb der Politik, der en passant diagnostiziert, dass Menschheit und exponentielles Wachstum ganz furchtbar sei. Warum denn? Man trifft hier normative Aussagen und baut bereits auf zahlreichen, unbenannten Prämissen auf. Als würde es einen idealtypischen Verlauf für Menschheit geben. Die Realität wird als hysterisch (d.h. als Bubble) erklärt, wenn sie sich nicht an das schöne, vor Experten erdachte Modell hält. Wer einen Hammer in der Hand hält, sieht überall Nägel und wer eine exponentielle Kurve als Modell hat ...

Ich weiß nicht auf welche Aussagen du dich da genau beziehst, so politisiert kam mir der Herr gar nicht rüber. Exponentielles Wachstum ist an sich ja erstmal nicht problematisch. Das Problem ist, dass es auf Dauer ohne Weiteres nicht aufrecht zu erhalten ist. Dazu kommen diese sich verkürzenden Perioden, die wohl auch bei allen möglichen anderen Ereignissen in der Natur, Technik, etc. auftreten. Für mich klingt es daher nicht unplausibel, wenn diese auch in wirtschaftlichen Entwicklungen auftreten.

 

Und wenn ich das richtig verstanden habe, erklärt er diese Entwicklungen auch nicht per se als Blase, sondern sagt nur, dass diese Entwicklungen sich einem Punkt nähern, an dem sie zusammenbrechen und in eine andere Entwicklung übergehen müssen ("Regime Change"). Ich meine er sagt da auch irgendwo explizit, dass es dann theoretisch auch zu einer Seitwärtsphase oder gar Ausbruch nach oben kommen kann, und nicht unbedingt zu einem Crash. Nach meinem Verständnis geht es bei diesem Modell also eher darum, kritische Punkte in einer Entwicklung zu finden, nicht unbedingt nur platzende Blasen

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reko
· bearbeitet von reko

@Maciej  "zusammenbrechen" klingt bereits wertend. Es geht um Bifurkationen, um kritische Punkte an denen die Entwicklung 2 vollkommen verschiedene Verläufe nehmen kann. Sornette behaupte auch nicht, dass es auf alle "Blasen" anwendbar ist, sondern nur auf einen bestimmten Typ.

 

Didier Sornette erhielt 1996 einen Lehrstuhl für Geo- und Planetarphysik an der UCLA und beschäftigte sich mit der Vorhersage von Erdbeben.. Er scheint grundlegend Eigenschaften von Bifurkationen zu geben, die man für kurzfristige Vorhersagen auch auf anderen Gebieten nutzen kann (komplexes, "self-organizing cooperative system").

Entscheidendes Indiz ist nicht nur ein exponentieller Anstieg, sondern auch zunehmend schnellere Oszillationen.

Ein nur zunehmend schnellerer Anstieg könnte auch der Beginn eines Sigmoids sein - ein in der Natur sehr häufig auftretender Verlauf.

 

Stock market crashes, Precursors and Replicas, Didier Sornette, Anders Johansen, Jean-Philippe Bouchaud (1995)

Zitat

Combined, they all suggest a picture of a kind of dynamical critical point, with characteristic log-periodic signatures, similar to what has been found recently for earthquakes.

 

NACHTRAG: Es wird ein schnellerer Anstieg  des um die Oszillationen bereinigten Verlaufs als exponentiel verlegt.

Ìm logarithmischen Diagramm muss der Anstieg mehr als linear sein.

 

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reko
· bearbeitet von reko

Danke @Bärenbulle

Lt. aktuellen Report wurde der Indikator modifiziert.

Zitat

Starting Nov 2017, we have a major upgrading of our LPPLS bubble warning signals. The new
method significantly increases the prediction power of the signal, and better normalizes the
signal values. A bubble signal is identified if our new bubble indicator is larger than 0%..

 

Damit ist auch definiert, was eine Sornettesche Bubble ist. Wie bereits gesagt ist das eine Teilmenge der möglichern Übertreibungen.

Zitat

we see a general trend of lowering bubble activity during recent months across all sectors.

 

Anhand der im Report dargestellten Graphen finde ich den Indikator sehr empfindlich und sehr kurzfristig eingestellt. Ich betrachte den Indikator nur als eine Vorauswahl, die man sich im Einzelfall nochmal ansehen muss.

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