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JohnnyNash

Hamburger Landgericht: Forenbetreiber sind für Beiträge haftbar

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JohnnyNash
Hamburger Landgericht: Forenbetreiber sind für Beiträge haftbar [update]

 

Nach mehr als vier Monaten hat das Landgericht Hamburg die schriftliche Begründung seines viel beachteten Urteils zur Forenhaftung (Az. 324 O 721/05) vom 2. Dezember 2005 vorgelegt. Demnach handelt es sich bei Webforen um eine "besonders gefährliche Einrichtung". Derjenige, der eine solche Gefahrenquelle betreibe, sei einer verschärften Haftung unterworfen.

 

Der bisherigen Rechtsprechung, wonach der Anbieter eines Forums erst ab Kenntnis eines rechtswidrigen Inhalts haftet und nicht zu einer aktiven Suche verpflichtet ist, folgten die Hamburger Richter nicht. Das Bereithalten von Internetforen stelle eine Form unternehmerischen Betriebs dar. Der Betreiber müsse sein Unternehmen so einrichten, dass er mit seinen sachlichen und personellen Ressourcen in der Lage sei, diesen Geschäftsbetrieb zu beherrschen. "Wenn die Zahl der Foren und die Zahl der Einträge so groß ist, dass die Antragsgegnerin nicht über genügend Personal oder genügend technische Mittel verfügt, um diese Einträge vor ihrer Freischaltung einer Prüfung auf ihre Rechtmäßigkeit zu unterziehen, dann muss sie entweder ihre Mittel vergrößern oder den Umfang ihres Betriebs [ ...] beschränken", so das Landgericht Hamburg.

Im vorliegenden Fall sahen das Unternehmen Universal Boards und dessen Geschäftsführer Mario Dolzer ihre Rechte verletzt. Einzelne Forenteilnehmer hatten im Forum zu einem Bericht von heise online über die Geschäftspraktiken von Universal Boards ein Skript veröffentlicht, das geeignet sein soll, den Betrieb von Download-Services dieses Unternehmens zu gefährden. Dessen Rechtsanwalt Bernhard Syndikus verlangte daraufhin per Abmahnung vom Verlag, es zu unterlassen, "an der Verbreitung von 'Leserkommentaren' mitzuwirken, in denen wörtlich oder sinngemäß dazu aufgerufen wird, Dateien, insbesondere das Programm 'k.exe', so oft wie möglich von den Servern meiner Mandantschaft downzuloaden, um die Server meiner Mandanten 'in die Knie zu zwingen'".

 

Der Verlag löschte umgehend die genannten Forenbeiträge, gab aber die geforderte Verpflichtungserklärung nicht ab, da er seiner Auffassung nach nur bei Kenntnis der potenziell rechtswidrigen Beiträge handeln muss. Obwohl nach der Löschung kein weiterer Beitrag mit einem entsprechenden Aufruf folgte, erwirkte die Universal Boards eine der Unterlassungsaufforderung entsprechende einstweilige Verfügung am Landgericht Hamburg. Den Widerspruch des Verlags gegen diese Verfügung wies das Gericht ab.

 

Die Kammer sieht den Verlag als so genannten "Störer", weil er über sein Forum die unzulässigen Blockadeaufrufe verbreitet habe. Schließlich sei er in der Lage, die Aufrufe zu unterbinden, indem "die Einträge vor ihrer Freischaltung auf die rechtliche Zulässigkeit ihres jeweiligen Inhalts überprüft werden." Dem Argument des Heise Zeitschriften Verlags, dass eine laufende Kontrolle der Inhalte angesichts von mehr als 200.000 Beiträgen pro Monat nicht zu leisten und damit unzumutbar sei, erteilte das Gericht eine klare Absage.

Nur vage äußerte sich die Kammer zur Frage, ob sich ihre Sichtweise auf jedes Webforum oder nur auf Dienste von Presseorganen bezieht. Sie spricht von derjenigen "Person, die Einrichtungen unterhält, über die Inhalte in pressemäßiger Weise verbreitet werden". Dies gelte "auch für Unternehmen, die Inhalte über das Internet verbreiten." Der Heise Zeitschriften Verlag verbreite in seinem Webforum Äußerungen von Nutzern "pressemäßig". Dies dürfte folglich auf jedes Internet-Forum zutreffen, eine weitere Differenzierung nehmen die Richter zumindest nicht vor.

 

Sogar bevor die schriftliche Begründung des Urteils vorlag, hatten Rechtsanwälte bereits unter Berufung darauf mißliebige Forenbetreiber kostenpflichtig abgemahnt. Derlei Fälle dürften sich nun häufen. Der Heise Zeitschriften Verlag wird gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. "Eine Vorabkontrolle von Nutzerbeiträgen würde das Ende der gewachsenen Forenkultur in Deutschland bedeuten", kommentierte Verlagsjustiziar Joerg Heidrich: "Unserer Ansicht nach handelt es sich um ein grobes Fehlurteil. Es hätte gravierende Folgen für alle Betreiber von Foren, wenn die Entscheidung Bestand haben sollte."

 

[update]

Der Heise Zeitschriften Verlag hat das Urteil als PDF-Datei zum Download bereitgestellt. (cp/c't)

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/72026

 

Völlig naiv dieses Urteil. Man kann doch nicht für alle Beiträge haften, die irgendein id*** von sich gelassen hat.

Hoffentlich wird das jetzt nicht zum Volkssport, die Forenbetreiber bei jedem kleinsten Verdacht abzumahnen. :angry:

 

Wir sollten wohl in Zukunft besser darauf achten, ob unsere Beiträge gegen best. Firmen oder Personen (z.B. Frick :-" ) gerichtet sind.

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Faceman

... mit Sicherheit wird es Abmahnungen hageln, schliesslich verdient die Justizszene daran....

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tretmine

Ich sags ja immer wieder:

Verflucht seien die beiden Tage, als der erste Politiker und der erste Jurist das Internet betreten hat.

 

MfG Phil

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Faceman

Dafür zahle mal 5 Euro ins Phrasenschwein....

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bond

:lol: Bin mal gespannt, wann wir mal ein richtiges Urteil erwarten dürfen. Immerhin gibts noch weitere Instanzen nach dieser kleinen Klitsche mit Richtern, die wahrscheinlich nicht mal annähernd eine Anhörung eines "Sachverständigen" durchgeführt haben.

 

Der Vergleich der Richter hinkt. Demnach wäre sogar eine Disko eine gefährliche Einrichtung, weil dort "im Schutze der Dunkelheit und der Musik" an "besonders zu schützende Menschengruppen (Jugendliche)" Drogen verkauft werden können. :lol:

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Faceman

... ist sie ja auch, und als Betreiber einer Disco musst du dafür sorgen, dass das Jugendschutzgesetz eingehalten wird. Dazu gehört (auch), dass minderjährige Jugendliche nach Hause geschickt werden und dass der Betreiber dafür sorgt, dass es keinen Missbrauch von Drogen gibt...

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bond

Mmmhm hab mir fast gedacht, dass meine Aussage allzu wörtlich genommen wird. ;) Ich meinte damit: Es gibt viele potentiell gefährliche Plätze, deren Betreiber eben nicht alles im "Voraus" kontrollieren kann. Ist klar, wenn ein Diskobetreiber jemanden dabei erwischt, wie er Drogen vertickt und ihn dann rauswirft. Das kann man in Foren im Nachhinein auch machen. Bei einem anderen Beispiel wird das vllt. deutlicher: Bahnhof. Dort kann man auch nicht jeden Reisenden durchsuchen, um präventiv gegen Drogen zu arbeiten. Erst nach der Tat weiß man: "Aha, der vertickt Drogen - der wird jetzt rausgeworfen"

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Faceman

...schon klar.... ich hatte auch vorher begriffen, was du meinst....

 

Das Problem bei den Forenbetreibern besteht darin, dass mit Foreninhalten zeitweise dritte geschädigt werden, indem ihr (guter) Ruf ramponiert wird. Bei Drogendeals in der Disco ist die Problematik eine andere....

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desesperado

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Thomas

Ihr lest nur wieder die unwichtigen Abschnitte... :rolleyes::rolleyes:

 

Ist doch Quark, dass die Meinungsfreiheit in Foren nun eingeschränkt seien soll. In diesem Fall wurde über das Forum ein Script angeboten, um einen Server mit sinnlosen Anfragen anzugreifen. Zusätzlich wird im Forum noch aufgerufen, den Server anzugreifen.

Wenn die Moderatoren und Administratoren dort so blind sind oder es auch noch unterstützt haben, dann ist es okay, dass sie abgemahnt werden.

Und dann ist es nur gut und richtig, dass sich die Betreiber wegen einer "Unkontrollierbarkeit" des Forums nicht rausdrehen konnten. Das würde wohl jeder vernünftige Richter so sehen.

 

Hier mal die wirklich wichtigen Stellen:

Einzelne Forenteilnehmer hatten im Forum zu einem Bericht von heise online über die Geschäftspraktiken von Universal Boards ein Skript veröffentlicht, das geeignet sein soll, den Betrieb von Download-Services dieses Unternehmens zu gefährden.
Dessen Rechtsanwalt Bernhard Syndikus verlangte daraufhin per Abmahnung vom Verlag, es zu unterlassen, "an der Verbreitung von 'Leserkommentaren' mitzuwirken, in denen wörtlich oder sinngemäß dazu aufgerufen wird, Dateien, insbesondere das Programm 'k.exe', so oft wie möglich von den Servern meiner Mandantschaft downzuloaden, um die Server meiner Mandanten 'in die Knie zu zwingen'".

 

Und wer hier im Forum nicht extra vorher bewusste Falschmeldungen, Hetze, sonstig Illegales unterstützt, braucht auch keine Angst zu haben.

Gegen den restlichen Kleinkram kräht kein Hahn danach.

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Faceman

@Thomas:

 

Nein, ich denke, du siehst das ein wenig einseitig. Klar, das Urteil bezieht sich auf einen Spezialfall, jedoch sind dem Kläger wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten Schadenersatzansprüche zugestanden worden.

 

Und die Höhe dieser werden jetzt Gegenstand diverser Abmahnungen sein, möglicherweise auch nichtigen oder strittigen Abmahnung. Das Problem ist, wenn du als Forenbetreiber eine Abmahnung in Haus bekommst, die 100.000 Euro schwer ist, dann erschlagen dich schon die Kosten des Rechtsanwalts. Weiterhin wirst du wegen dem Prozesskostenrisiko mindestens zwei mal überlegen, ob du gegen die Abmahnung vorgehst oder die Unterlassungserklärung lieber unterschreibst.

 

Die meisten Forenbetreiber sind Privatleute, die sich mal eben 5000 und mehr Euro nicht leisten können und die auch kein Prozessrisiko eingehen können, in dem fünf- bis sechsstellige Eurobeträge auf dem Spiel stehen. Das ist das Problem, und nicht ob hier Meinungsfreiheit beschnitten wird.

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Faceman

Die Urteilsbegründung ist nun da. Hier dazu die Kommentierung des Verlags WRS

 

Kommentar

 

Und hier das Urteil:

 

Urteilsbegründung

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