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_Taktiker_

Smart Beta - eine Kritische Betrachtung von Gerd Kommers Empfehlungen vor dem Hintergrund von Morningstar Branchenanalysen

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_Taktiker_
· bearbeitet von _Taktiker_

Liebe Forennutzer,

 

ich arbeite mich zur Zeit in das Thema Smart Beta ein. Dabei habe ich mir mehrere Fragen gestellt:

Warum wird im US-Markt so wenig in Multifaktor-Lösungen investiert? Warum werden so gut wie ausschließlich Value, Dividend und Growth berücksichtigt (anders als bei Kommer)? Warum unterscheiden sich Europäer und US-Amerikaner so stark in ihren Präferenzen, was Asset-Klassen bei Smart Beta angeht?

 

Hintergrund:

  • Smart Beta verspricht höhere Renditen durch Fokussierung auf solche Aktien, die nach bestimmten Kriterien ausgewählt wurden. Oft werden in diesem Zusammenhang z.B. Value, Quality, Momentum, Dividend, Small Cap, Low Volatility etc. genannt. Neben Fonds, die einzelne Faktoren besonders gewichten gibt es auch Multifaktor-ETFs, die mehrere Faktoren bei der Auswahl berücksichtigen. Diese gehen oft mit einer höheren TER einher.
  • Gerd Kommer empfiehlt auf seiner Website auch in Portfolios u.a. entweder integrierte Multifaktorportfolios oder die Nutzung einzelner Faktor-ETFs.
  • Morningstar hat dieses Jahr einen Report rausgebracht, bei dem u.a. der US- und EU-Markt für Strategic Beta-ETFs (nach Anlageklassen) analysiert wird: https://www.morningstar.co.uk/static/UploadManager/Other/A_Global_Guide_To_Strategic_Beta_Exhange-Traded_Products.pdf. Die relevanten Daten aus dem Report habe ich angehängt.

 

Mich wundern mehrere Dinge:

1. Warum wird so stark auf Dividende gesetzt? Klassisch dachte ich, dass andere Faktoren wichtiger wären wie Value, Quality, Momentum oder Small Cap.

2. Warum genießen Multifaktor-ETFs, die mehrere Faktoren berücksichtigen, in den US so eine geringe Beliebtheit (6,1% Market Share)? Warum wird generell so viel mehr auf Single Faktor ETFs gesetzt als auf Multifaktor-ETFs?

3. Warum setzen die Europäer quasi gar nicht (0,5%) auf Growth als Faktor, während es in den US ein Top 3 Faktor ist? Müssten die Investoren nicht ungefähr auf die gleiche Wissensbasis zurückgreifen können (Wissenschaftliche Evidenz, Branchenreports etc.)?

 

Nachdem ich mich intensiv mit Kommer auseinandergesetzt habe, wundern mich nach Betrachtung dieser Daten seine Empfehlungen (aus seiner Website), entweder auf Multifaktor zu setzen oder auf Single Factors zu Value, Quality, Momentum, Small Cap und Political Risk. Diese spiegeln sich zumindest in diesen Daten nicht wirklich wieder.

Natürlich könnte man anmerken, dass die Gesamtheit der Anleger nicht unbedingt Smart Betas nach rationalen Kriterien auswählt, wie man es von Gerd Kommer hoffentlich annehmen kann. Trotzdem finde ich die Diskrepanz überraschend.

 

Eure Gedanken dazu?

 

Viele Grüße

 

Smart Beta US.PNG

Smart Beta EU.PNG

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PapaPecunia

Es ist ja generell auffällig, welche große Rolle das Thema Dividende in der klassischen Finanzpresse (Marke Focus Money) aber auch in der Finanzbloggerszene spielt. 

Ich werde mich jetzt ganz unbeliebt machen aber das liegt meiner Meinung nach vor allem daran, dass mit diesem Thema eine vermeintliche Sicherheit suggeriert wird. Und dass gerade Kleinanleger die Dividende für eine Art free lunch halten. Hatte erst die Tage eine sensationelle Diskussion über die tolle Dividendenrendite von Schaeffler.

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Gast240416

Zumindest sind Dividenden-Aktien bzw -Depots eine Möglichkeit,

den notorischen „nur-Immobilien-sind-gut-weil-ich-dann immer-die-Mieten-bekomme“-Anleger mal den Blick auf etwas Diversifikation in Aktien zu lenken.

 

Ergo:

Je unerfahrener „die (Klein)Anleger“ desto eher werden wenigstens Dividendendepots verkauft.

Die anderen Strategien setzen zT profunde Anlegekenntnisse voraus.

Selbst Value.

Ich könnte mir also den Unterschied durch das unterschiedlich erfahrene Zielpublikum herleiten.

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herbert_21
· bearbeitet von herbert_21
  • In den USA und in Kanada genießen Dividenden einen Steuervorteil, bei uns nicht.

 

  • Was Kommer betrifft: "Faktoren" sind Marktanomalien, z.B. Low Volatility: Hier konstatiert Kommer, dass es noch keine "Begründung" gibt, die Ursachen für die Marktanomalie noch nicht hinreichend erforscht sind. Weiters nimmt er an, dass der Markt diese bei Bekanntwerden wegarbitriert, und dass darum die Faktorprämie vermutlich kleiner werden wird. Die Kommer Auswahl bei den Faktoren sind jene, für die es seiner Meinung nach die beste wissenschaftliche Evidenz gibt, und die auch nach Bekanntwerden bestehen bleiben. So weit in "Souverän investieren".

 

  • Ich empfehle Swedroe &Berkin "Your Complete Guide to Factor-Based Investing" Buckingham 2016 als Lektüre.  ISBN 0692783652.

 

Zitat

Ich könnte mir also den Unterschied durch das unterschiedlich erfahrene Zielpublikum herleiten.

Hier wird m.E. die Rolle der Privatanleger überbewertet.

 

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R-Byte
21 hours ago, _Taktiker_ said:

3. Warum setzen die Europäer quasi gar nicht (0,5%) auf Growth als Faktor, während es in den US ein Top 3 Faktor ist? Müssten die Investoren nicht ungefähr auf die gleiche Wissensbasis zurückgreifen können (Wissenschaftliche Evidenz, Branchenreports etc.)?

Die setzen nicht auf Growth als Faktor, sondern neutralisieren den Value Faktor, ob sie das wollen oder nicht. Die Europäer haben eventuell verstanden, dass die Faktorprämie Value gegenüber Growth entsteht. Wohlmöglich ist es aber nur eine Angst gegenüber den Growth Aktien oder eine Schnäppchenmentalität bei Value Aktien.

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_Taktiker_

Danke für eure Einschätzungen.

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market anomaly

Hier vll für einige noch ein interessantes Weber Interview zu dem Thema (auch wenn möglicherweise ein Interessenkonflikt hinsichtlich des Areros vorliegt der keine Übergewichtung von Faktoren vornimmt, bis auf "political risk" aufgrund der BIP Verteilung).

 

https://www.morningstar.de/de/news/198194/interview-anleger-sollten-einfach-mit-dem-markt-gehen.aspx

 

"Bei angeblichen Rendite-Quellen, für die es keine ökonomische Erklärung gibt, muss man vorsichtig sein. Oft ist es auch so, dass Faktoren nach ihrer Entdeckung deutlich schlechtere Renditen liefern also vor der Publizierung der wissenschaftlichen Papers - und erst recht, nachdem die Strategie mit Fonds abgebildet wird. Es spricht viel dafür, dass nach und nach die Überrenditen durch Arbitrage-Geschäfte immer kleiner werden. Und die Small Cap Prämie gibt es übrigens nicht mehr. Außerdem berücksichtigen viele Studien die Handelskosten nicht. Das bringt mich zum Schluss, dass die Märkte effizient sind, und deshalb lohnt es sich für Anleger, den Markt abzubilden und mit ihm zu gehen."

 

Unter dem Gesichtspunkt, dass ein Großteil des Anlageerfolges durch das Einhalten der Asset Allokation bestimmt ist, wozu den ganzen Stress mit dem neumodernen Krimskrams...

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DST

Gibt es für die Aussage von Prof. Weber, dass es die Small Cap Prämie nicht mehr gibt, irgendeinen signifikanten Beleg? Wenn nicht, dann ist das lediglich ein Beleg dafür, dass seine Meinung von Interessenkonflikten geleitet wird. Der ARERO investiert nämlich in keine Small Caps, aber dafür natürlich in Rohstoffe, die bis auf wenige Ausnahmen (Gold und Palladium) seit Jahrzehnten auf der Stelle treten.

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whister
vor 2 Stunden von market anomaly:

"[...] Und die Small Cap Prämie gibt es übrigens nicht mehr. Außerdem berücksichtigen viele Studien die Handelskosten nicht. Das bringt mich zum Schluss, dass die Märkte effizient sind, und deshalb lohnt es sich für Anleger, den Markt abzubilden und mit ihm zu gehen."

Vermutlich stimmt es auch dass es keine "Small Cap Prämie" gibt (gab es die jemals?). Small Caps haben in der Regel ein höheres Risiko welches dann jedoch mit einer höheren Risikoprämie belohnt wird. Insofern haben Small Caps ein höheres Risiko und eine entsprechend höhere erwartete Rendite. Sollte das nicht so sein dann wären die Märkte auch nicht effizient.

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R-Byte
5 hours ago, market anomaly said:

"Bei angeblichen Rendite-Quellen, für die es keine ökonomische Erklärung gibt, muss man vorsichtig sein. Oft ist es auch so, dass Faktoren nach ihrer Entdeckung deutlich schlechtere Renditen liefern also vor der Publizierung der wissenschaftlichen Papers - und erst recht, nachdem die Strategie mit Fonds abgebildet wird. Es spricht viel dafür, dass nach und nach die Überrenditen durch Arbitrage-Geschäfte immer kleiner werden. Und die Small Cap Prämie gibt es übrigens nicht mehr. Außerdem berücksichtigen viele Studien die Handelskosten nicht. Das bringt mich zum Schluss, dass die Märkte effizient sind, und deshalb lohnt es sich für Anleger, den Markt abzubilden und mit ihm zu gehen."

Finde es schon lustig, dass Weber nichts von etablierten Faktoren hält, gleichzeitig aber das BIP als Faktor hernimmt anstatt den Markt abzubilden.

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vn5p7aw58aw357pw

Das sind viele Fragen auf einmal. Meine Vermutungen:

  • Die Faktoren Growth und Value sind einfach schon ewig alt (30er?), das begünstigt natürlich dass da historisch mehr Fonds existieren, die Leute glauben das Konzept besser verstanden zu haben und entsprechend mehr Investieren.
  • Dividende sieht, wie oben schon gesagt, halt toll aus und verfängt auf den ersten Blick. Ich bekommen Geld und behalte meine Aktien? Toll!
  • In einer perfekt rationalen Welt würden sowohl US- Anleger als auch Europäer in die selben Faktoren investieren. Ich fürchte allerdings das ist stark durch historische Performance von Regionalindices geprägt oder schlicht durch die Struktur des Publikums. Weiß z.B. nicht wie viel in den USA von Profis (Pensionsfonds, Stiftungen) vs. privat Angelegt wird.
  • Single Faktor ETFs sind erstmal leichter zu implementieren und kontrollieren. Außerdem gibt es schon länger Singe-Factor-ETFs als es Mutifaktor-ETFs gibt. Dimensional Fund Advisors hat meine ich auch mit einem Value-Fund losgelegt.

Insgesamt ist halt zwischen "ist nach dem aktuellen Stand der Forschung der belastbarste Investmentansatz" und "ist am Markt beliebt" zu unterscheiden. Ich denke das wird noch etwas dauern. Vermutlich kommen die Anleger, wenn die Multifactor-ETFs mal eine Zeit lang die zu erwartende Outperformance demonstrieren angelaufen.

 

Persönlich präferiere ich auch den integrierten Multi-Faktor-Ansatz. Da scheinen auch von allen Anbietern die bis Dato "abgehangensten" Faktoren einzufließen, was mir auch zusagt.

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Der Horst
7 hours ago, R-Byte said:

Finde es schon lustig, dass Weber nichts von etablierten Faktoren hält, gleichzeitig aber das BIP als Faktor hernimmt anstatt den Markt abzubilden.

Nicht vergessen: Der "Mark" ist deutlich näher an BIP als ein ACWI das vermuten lässt, da MSCI eine massive Untergewichtung der chinesischen A-Shares vornimmt.

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swg2531
Am 3.11.2019 um 20:09 von PapaPecunia:

Es ist ja generell auffällig, welche große Rolle das Thema Dividende in der klassischen Finanzpresse (Marke Focus Money) aber auch in der Finanzbloggerszene spielt. 

Ich werde mich jetzt ganz unbeliebt machen aber das liegt meiner Meinung nach vor allem daran, dass mit diesem Thema eine vermeintliche Sicherheit suggeriert wird. Und dass gerade Kleinanleger die Dividende für eine Art free lunch halten. Hatte erst die Tage eine sensationelle Diskussion über die tolle Dividendenrendite von Schaeffler.

 

Ich glaube gar nicht, dass es so beliebt ist, weil es eine vermeidliche Sicherheit suggeriert.

Ich glaube, Dividenden sind so beliebt, weil sie das größte Risiko bei ETF/Aktien wenigtens etwas lindern: Die Psychologie.

 

Sind wir ganz ehrlich. 95% der User die hier in ETFs investieren werden nicht die nötigen 15-30 Jahre durchhalten. Sobald die erste große Krise kommt (wir sind jetzt 10 Jahre in immer nur steigenden Märkten) oder das Leben zuschlägt (Kinder, Immo Wunsch, Kranke Eltern, Krankheit) werden so gut wie alle aus dem Spiel rausgekegelt, weil sie irrationale Entscheidungen treffen oder einfach kalte Füße bekommen.

Dividenden sind hier ein einfaches Hilfsmittel. den Wert des Investments vierteljährlich vor Auge geführt zu bekommen und WARUM man das ganze eigentlich macht. Man bekommt für das fleißige Sparen etwas zurück.

 

Das ist auch der Grund warum ich auch nachdem ich meinen Sparerfreibetrag jährlich ausgeschöpft habe, weiterhin in Ausschüttende ETFs investiere. Weil es mir einfach dabei hilft den Marathon Zu-ende zu laufen...
Als Metapher gesprochen: Wenn ich ohne Trinkpausen den Marathon laufe, dann hab ich am Ende eine bessere Zeit. Aber mit Trinkpausen ist der Marathon viel einfacher zu schaffen.

Das ist mir dann auch die 0,09% weniger Rendite p.a. Wert, wenn es mir hilft die Gesamte Distanz zu gehen (ggü. thesaurierern)

 

Wenn ich hier im Forum immer lese, dass die einzig wahre Strategie es ist, bis zum Freibetrag ausschütter zu nehmen und dann direkt auf thesaurierer umzuschwenken, muss ich immer schmunzeln. 99% der Leute die das empfehlen und das befolgen werden gar nicht das Ende erreichen und die Früchte ernten.

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StefanU
vor 31 Minuten von swg2531:

Dividenden sind hier ein einfaches Hilfsmittel. den Wert des Investments vierteljährlich vor Auge geführt zu bekommen und WARUM man das ganze eigentlich macht. Man bekommt für das fleißige Sparen etwas zurück.

100% Zustimmung!

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odensee
vor 35 Minuten von swg2531:

Wenn ich hier im Forum immer lese, dass die einzig wahre Strategie es ist, bis zum Freibetrag ausschütter zu nehmen und dann direkt auf thesaurierer umzuschwenken, muss ich immer schmunzeln. 99% der Leute die das empfehlen und das befolgen werden gar nicht das Ende erreichen und die Früchte ernten.

Es reicht ja schon, in den Bereich zu kommen, in dem Thesaurierer die bessere Wahl sind. Man muss nicht bis ans Lebensende investiert sein.

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R-Byte
21 hours ago, Der Horst said:

Nicht vergessen: Der "Mark" ist deutlich näher an BIP als ein ACWI das vermuten lässt, da MSCI eine massive Untergewichtung der chinesischen A-Shares vornimmt.

Das ist ja kein Grund die Ganze Welt nach BIP zu gewichten, dann sollte man halt die chinesischen A-Shares übergewichten/korrigieren. Als institutioneller Investor sollte das ja kein Problem sein.

 

Quote

Dividenden sind hier ein einfaches Hilfsmittel. den Wert des Investments vierteljährlich vor Auge geführt zu bekommen und WARUM man das ganze eigentlich macht. Man bekommt für das fleißige Sparen etwas zurück.

Mir reicht da die Wertentwicklung im Depot als Bestätigung, die Ausschüttungen empfinde ich inzwischen als Lästig, da ich die Sparpläne zum reinvestieren anpassen muss und nach Ausnutzung des Freibetrags einem der Steuerabzug vor Augen geführt wird. Ich kann aber durchaus verstehen, dass Ausschüttungen für viele Leute eine gute Motivation sind.

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