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Ölpreis: Das Ende der Sorglosigkeit

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Der hohe Ölpreis droht zu einer Gefahr für den weltweiten Aufschwung zu werden. Dennoch müssen sich Unternehmen und Verbraucher darauf einstellen, dass billiges Öl als Schmiermittel der Wirtschaft bald ausgedient hat. Doch das hat nicht nur Nachteile.

 

von Hans Sedlmaier

 

Die Woche nach Pfingsten war für Jürgen Trittin wie Weihnachten und Ostern zusammen. Vergessen waren alle Prügel, die der Bundesumweltminister für Dosenpfand und Emissionsrechtehandel hatte einstecken müssen: Bei der viertägigen Konferenz Renewables 2004, der weltweit größten Veranstaltung zum Thema \"Erneuerbare Energien\" in Bonn, war ihm der allgemeine Beifall sicher.

 

Und so sonnte sich der Trittin in der Aufmerksamkeit der 3000 Delegierten aus 150 Ländern wie auch der Medien, die so ausführlich wie nie zuvor über die Energiegewinnung aus Wind, Wasser, Sonne und Biomasse berichteten. \"Das Zeitalter der erneuerbaren Energien hat begonnen\", frohlockte er.

 

Dass die \"sanften\" Energien plötzlich im Mittelpunkt des weltweiten Interesses stehen, hatte weniger mit neuer Öko-Begeisterung als mit alten Ölsorgen zu tun: Mit 42 Dollar je Barrel für die als Maßstab genommene US-Sorte WTI und mehr als 39 Dollar für die europäische Referenzsorte Brent erklomm der Ölpreis - zumindest nominal - neue Höchststände.

 

Das jüngste Hochschießen des Ölpreises ist auf die extreme Unsicherheit an den Märkten über die Verletzbarkeit der weltweiten Ölversorgung zurückzuführen. Terroristen hatten mehrere Anschläge auf Ölförderanlagen und den Ölhafen Basra im Irak verübt und dann am vergangenen Wochenende erstmals auch Produktionsstätten in Saudi-Arabien attackiert. Doch schon bevor eine mögliche Unterbrechung der Ölversorgung die Händler in Panik versetzte, verteuerten andere Faktoren das Hauptschmiermittel der Weltwirtschaft. So sind die Lagerbestände sehr niedrig - bei einer seit langem hohen Nachfrage. Vor allem Chinas Energiehunger ist wegen der hohen Wachstumsraten enorm angestiegen - allein in diesem Jahr um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch auch wenn das Reich der Mitte bereits zweitgrößter Ölverbraucher der Welt ist, so liegen noch Welten zwischen dem Öldurst von 280 Millionen Amerikanern und 1300 Millionen Chinesen: Denn während ein Chinese pro Jahr im Schnitt 1,8 Barrel Öl benötigt, braucht jeder Amerikaner deren 26.

 

Weil in den USA Sommerzeit auch Autozeit heißt, wird die Benzinknappheit bald zunehmen. Sie geht vor allem auf zu wenige und veraltete US-Raffinerien zurück. Der Zukauf von Benzin auf internationalen Märkten wird nicht nur den Sprit verteuern, sondern auch die Rohölpreise belasten.

 

Dieser fatalen Aufwärtsspirale steuert die Opec nun entgegen. Denn die zehn in der Organisation Erdöl exportierender Länder organisierten Staaten - allen voran Saudi-Arabien - haben kein Interesse daran, dass die Weltwirtschaft an Schwung verliert. Käme es zu einer globalen Wirtschaftskrise, würde das erst die Ölnachfrage und dann auch die Preise absacken lassen. Mittelfristig lohnt sich ein zu rascher Preisanstieg für die Ölförderländer erfahrungsgemäß nicht. Außerdem steckt viel Ölgeld in westlichen Unternehmen. Und: Dauerhaft hohePreise lassen die Alternativen zum Öl attraktiver werden.

 

Bei ihrem Treffen am Donnerstag in Beirut erklärte die Opec daher, sie werde ihre Förderung bis August um 2,5 Millionen Barrel hochschrauben, damit der Rohölpreis wieder auf die von ihr angestrebte Preisspanne fällt.

 

Doch der Ölpreis sackte nur kurz ab - dann stieg er wieder. Ein Grund: \"Das System ist extrem anfällig für Schocks, die durch große Wetten von Spekulanten auf steigende Preise noch verstärkt werden können\", erläutert Sandra Ebner, Volkswirtin bei der DekaBank. Deshalb genügte bereits ein Brand in einer US-Pipeline, um den Preisrückgang im Gefolge von Saudi-Arabiens An-kündigung, die Produktion zu erhöhen, wieder auszugleichen. Die Ölexpertin rechnet daher kurzfristig mit einem Preis von 39 bis 43 Dollar je Barrel für das US-Öl WTI und 36 bis 40 Dollar für die Sorte Brent.

 

Pessimisten kalkulieren schon mit Ölpreisen von 100 Dollar und mehr. \"Wenn es wirklich zu einer dramatischen Unterbrechung der Ölversorgung käme, dann gäbe es für den Preis kurzfristig keine Grenze nach oben\", bestätigt Ölexperte Klaus Matthies vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA). Doch auch ohne extreme Ereignisse wird sich die Welt wohl auf dauerhaft hohe Ölpreise einstellen müssen. Nicht nur Matthies glaubt, \"dass bei einer normalen wirtschaftlichen Entwicklung die Ölpreise kaum noch unter 30 Dollar pro Barrel fallen werden\". Das ist die schlechte Nachricht. Die gute: Die Wirtschaft kommt mit Preisen von über 30 Dollar mittlerweile ganz gut zurecht. Da das Öl schon seit vier Jahren so teuer ist, ist dies längst in die Kalkulationen eingeflossen und zum großen Teil an den Verbraucher weitergegeben. Zudem wird heute weniger Öl für die Produktion der gleichen Güter verbraucht wie früher - ein Spareffekt auf Grund gestiegener Preise. Für die Konjunktur sind die aktuellen Entwicklungen natürlich nicht förderlich, aber noch erträglich.

 

Öl ist außerdem bei weitem nicht so teuer, wie es schon einmal war. Nach heutiger Kaufkraft kostete das Barrel im November 1979 auf dem Höhepunkt der damaligen Ölkrise 107,10 Dollar - also das Zweieinhalbfache des heutigen Preises. Und während die Preisanstiege damals wie auch bei der ersten Ölkrise 1973 dramatisch schnell vor sich gegangen waren, exis-tiert die aktuelle Preisspanne schon seit Jahren. Gefährlich dürfte es erst werden, wenn der Ölpreis heute über längere Zeit eine 50 vor dem Komma hätte. Dann wäre die Rezession kaum noch zu vermeiden.

 

Doch ein künftig stärker schwankender und insgesamt moderat hoher Ölpreis könnte noch eine weitere Folge haben. \"Die Länder, die stark von Ölimporten abhängig sind, werden sich verstärkt nach Alternativen umsehen\", sagt Jens Drillisch, Energie-Experte der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Für die Industrieländer brächten weitere Energie-Einsparungen und der verstärkte Einsatz von Energieträgern, die vor Ort nutzbar sind, mehrere Vorteile: Neben einer höheren Versorgungssicherheit und der Einsparung von Devisen, die bisher für Ölimporte ausgegeben werden, könnten sie auch ihre internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz leichter erfüllen.

 

Schwellenländer wie China halten sich alle Optionen offen. Sie setzen neben modernen, umweltfreundlichen Kohlekraftwerken und dem Ausbau der Kernenergie schon seit einiger Zeit auch auf Alternativen. GTZ-Experte Drillisch: \"China will seine erneuerbaren Energien verstärkt ausbauen und hat erst im August 2003 ein Gesetz auf den Weg gebracht, das sich am deutschen Erneuerbare-Energie-Gesetz orientiert.\" Das heißt, dass auch im Reich der Mitte Rückvergütungen und Steuererleichterungen den Einzug von Windparks und Solaranlagen fördern werden. Große Wasserkraftwerke stehen sowieso auf den Einkaufslisten der Chinesen. So könnte Deutschland aus den gestiegenen Ölpreisen durchaus auch positive Ergebnisse ziehen. Denn die hiesigen Unternehmen sind nicht nur in der Kraftwerktechnik ganz vorne dabei, sondern auch in der Nutzung der Windenergie unter den Weltmarktführern.

 

«Windenergie Deutsche Unternehmen langsam wieder im Aufwind

 

Derzeit decken die erneuerbaren Energiequellen (Biomasse, Wasserkraft, Erdwärme, Wind- und Sonnenenergie) weltweit 13,8 Prozent der verbrauchten Energie ab. In Sachen Windenergie sind die Deutschen Weltmeister. 15000 Windräder drehen sich in der Republik - mehr als in jedem anderen Land der Welt. Vor allem in den vergangenen Jahren hat die verstärkte staatliche Förderung zu einem Boom bei der Stromerzeugung aus Windenergie geführt. Die installierte Leistung der Windparks erhöhte sich zwischen 1998 und 2003 um das Fünffache auf 14600 Megawatt - das ist mehr als die Windstromleistung der Wettbewerber Dänemark, Spanien und USA zusammen. Insgesamt stammt damit nach Angaben des Bundesverbands Windenergie ein Drittel der globalen Windenergie oder die Hälfte der europäischen Windstromkapazitäten aus Deutschland. Nach einem soeben unterzeichneten Kooperationsabkommen zwischen Deutschland und Dänemark soll die Windenergieforschung beider Länder verzahnt werden, um den Anteil der Windenergie an der gesamten Energieerzeugung zu erhöhen.Ein Problem der Windenergie ist, dass die Produktion naturgemäß von der Wetterlage abhängt. Die Auslastung der Anlagen liegt im Schnitt bei 17 Prozent. Mehr Wind bläst auf dem Meer, weshalb dort die Energie-Ausbeute 40 Prozent höher ist. Deswegen und weil der Widerstand gegen Windparks zunimmt, geht der Trend zu Anlagen vor der Küste. 30 Anträge für Offshore-Windparks, die im Schnitt 250 Millionen Euro kosten, sind bereits gestellt Wenn das Erneuerbare-Energien-Gesetz den Vermittlungsausschuss zügig passiert, können noch in diesem Jahr bis zu 200 neue Anlagen installiert werden. Das und die Ankündigung der Weltbank in den kommenden fünf Jahren die Kredite für Wind- und Solarprojekte stark aufzustocken, bringt viel frische Phantasie in die seit langem lahmende Windanlagenbranche. Interessantester Wert ist Marktführer und TecDAX-Mitglied Repower. Weil ein Großaktionär sein 15-Prozent-Paket verkaufen will, machten kurzzeitig bereits Übernahmegerüchte die Runde. Auch ohne Aufkäufer ist bei Repower noch Musik in der Turbine.

 

Solarenergie Goldgräberstimmung seit Jahresanfang

 

Die deutsche Solarindustrie boomt. Während im vergangenen Jahr noch 120 Megawatt an Kapazitäten installiert wurden, werden es in diesem Jahr mit 200 Megawatt aus 20000 Solaranlagen etwa 70 Prozent mehr sein. Der Umsatz wird damit erstmals eine Milliarde Euro überschreiten.

 

Grund für die Goldgräberstimmung: \"Die fundamentalen Aussichten der Branche haben sich ganz deutlich verbessert\", sagt Analyst Patrick Hummel von der Landesbank Baden-Württemberg. Das liegt vor allem daran, dass die gesetzlich fixierte Vergütung für Solarstrom, der ins Stromnetz eingespeist wird, zu Jahresanfang auf 55 Cent pro Kilowatt angehoben wurden. Weil Aktienkurse auch Gewinnerwartungen widerspiegeln, boomen die Papiere der deutschen Solarunternehmen seit Januar - obwohl sie mit Ausnahme des deutschen Marktführers SolarWorld bisher noch keine schwarzen Zahlen schreiben. Mehrere Hersteller haben bereits eine Ausweitung ihrer Kapazitäten angekündigt, um ihre Lieferengpässe beseitigen zu können. So will der Berliner Solarmodulhersteller Solon in einer neuen Modulfabrik in Greifswald noch in diesem Jahr die Produktion aufnehmen. Auch der Freiburger Modulhersteller Solar-Fabrik plant die Erweiterung seiner Fertigungskapazitäten noch in diesem Jahr. Insgesamt investieren die Unternehmen jährlich 200 Millionen Euro in Modernisierung und Ausbau.Von den deutschen Solarunternehmen bleibt trotz eines Plus von 150 Prozent seit Jahresanfang SolarWorld der aussichtsreichste Wert. Denn das Unternehmen hat als einziges das Know-how, um an allen Wertschöpfungsstufen (Wafer, Solarzellen, Solarmodule) zu verdienen. Wegen der starken Performance der letzten Monate sollten Anleger einen deutlichen Rückschlag zum Einstieg nutzen. Die Analysten der LBBW haben ihre Schätzungen für den Gewinn vor Steuern und Zinsen bei SolarWorld gerade von bisher 8,6 Millionen Euro auf 13,6 Millionen angehoben.

 

ATOM, WASSER UND BIOMASSE Alternativen und Auslaufmodelle der Energieversorgung

 

Die Nutzung der Atomkraft findet in Deutschland auch bei Anhängern der CDU/CSU keine Mehrheit. Neben dem Problem der Endlagerung von Atommüll und dem weiteren Gefahrenpotenzial, das neue Atomanlagen angesichts zunehmender Terrorakte darstellen, sprechen auch die sehr hohen Uranpreise und begrenzte Uranvorräte gegen diese Technik. Ohne große Resonanz blieb deshalb der Vorstoß von CSU-Chef Edmund Stoiber für den Bau neuer Atomkraftwerke. Zwischen 2018 und 2021 werden nach dem Kompromiss mit der Energiewirtschaft hier zu Lande die letzten Atommeiler vom Netz gehen. Derzeit decken Atomkraftwerke aber noch 30 Prozent des deutschen Strombedarfs, europaweit sind es 35 und weltweit 16 Prozent. Aktiv gefördert wird die Atomenergie in China, das mittlerweile auch selbst Reaktoren entwickelt und baut. Gegenwärtig fehlen in China 30 Gigawatt oder 30000 Megawatt Strom. Dieses Defizit glaubt man in Peking nur ausgleichen zu können, wenn mehr als die elf Generatorblöcke in den beiden Atommeilern laufen. Bis 2020 soll der Anteil der Atomkraft an der Stromerzeugung von zwei auf vier Prozent verdoppelt werden.

 

Die Nutzung der Wasserkraft über fallendes Wasser, das Turbinen antreibt, ist eine seit langem erprobte Form erneuerbarer Energie. Große Stauseen speichern Wasser und können die Energie so nach Bedarf bereitstellen. Sie sind wegen ihres riesigen Platzbedarfs und ihrer Auswirkungen auf die Umwelt und Lebensräume der Menschen jedoch umstritten. Im energiehungrigen China sind bereits 84 Gigawatt an Wasserkraftanlagen installiert. Das technisch nutzbare Potenzial des Landes ist nach Schätzungen von Fachleuten aber achtmal so hoch. Von der Nutzung der Biomasse aus Abfällen, Reststoffen und Energiepflanzenanbau erwarten sich Fachleute in Zukunft sehr viel: Sie könnte bis 2030 etwa 14 Prozent des deutschen Energiebedarfs decken - so viel wie Braunkohle und Steinkohle heute. Bereits jetzt steigen manche Autofahrer auf Biodiesel, der steuerbegünstigt und damit billiger an der Tankstelle zu haben ist. \"Biodiesel aus Raps und Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben sind auf dem Vormarsch\", bestätigt Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Biomasse könnte aber auch eine Alternative zum Öl als Rohstoff für Chemie-, Pharma- und Kosmetikindustrie werden.

 

Autor: SmartHouseMedia (© wallstreet:online AG / SmartHouse Media GmbH),10:57 06.06.2004

 

Quelle: Eurams

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