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klausk

Handel mit Aktien: Ein Nullsummenspiel?

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klausk

Gelegentlich wird der Handel mit Aktien als ein Nullsummenspiel bezeichnet, da jedem Gewinner ein Verlierer gegenüber stehe. Einer verkauft, ein Anderer kauft -- einer davon gewinnt, der Andere verliert, so die Überlegung. Was ist dran an dieser Vorstellung?

 

Angenommen, A verkauft eine bestimmte Aktie mit Gewinn. Vielleicht will er den sicher stellen, weil er einen Abschwung befürchtet, oder weil er sein Geld anderweitig investieren will, oder weil er das Geld einfach verprassen möchte -- der Grund spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass er einen Gewinn verbucht.

 

B kauft die Aktie, weil er sich einen weiteren Kursanstieg verspricht. Vielleicht hat er recht und die Aktie steigt weiter: B realisiert seinen Gewinn, indem er sie an C verkauft. Oder sie fällt: B ist enttäuscht und verkauft mit Verlust an C. Später verkauft C die Aktie wieder, vielleicht hat C dabei einen Gewinn, vielleicht einen Verlust.

 

Aha: Gewinnern stehen Verlierer gegenüber. Also doch ein Nullsummenspiel!

 

Oder diese Vorstellung kommt ins Spiel: A macht doch einen Verlust, wenn seine Aktie, nachdem er sie verkauft hat, noch weiter steigt, aufs Doppelte oder Dreifache gar! -- Nein. Ein nicht gehabter Gewinn ist kein Verlust. Ebenso wie ein nicht gehabter Verlust ein Gewinn ist. Wenn du mir nicht glaubst, dann solltest du deine nicht gehabten Verluste dem Finanzamt mitteilen und auf diesen Gewinn Steuern zahlen.

 

Was zählt denn? Je nach Variante haben wir in dem kleinen Beispiel oben mehr Gewinner oder mehr Verlierer -- deren Zahl scheint also keine gute Vergleichsbasis zu sein.

 

Zählen wir die involvierten Euros bzw. Dollars. War bei jedem Trade der Kurs höher als beim Kauf? Möglich aber unwahrscheinlich. Trader machen auch Verluste. Ein Nullsummenspiel wäre der Handel mit dieser Aktie jedoch nur, wenn der Kurs wieder exakt auf den Kaufkurs von A zurückfiele. Das kann natürlich geschehen, ist aber noch unwahrscheinlicher.

 

Kursgewinn, Kursverlust, alle Varianten können zutreffen -- ich muss mir nur den passenden Zeitraum aussuchen: etwa zwischen September 2008 und März 2009. In dieser Zeit haben alle Investoren in Aktien, die grossen wie die kleinen, massiv verloren. Die Bild-Zeitungen dieser Welt sprechen in dem Fall von grauenvoller Kapital-Vernichtung.

 

Wenn ich dagegen die folgenden vier Monate von März bis Juni 2009 betrachte, dann sehe ich weitaus mehr Gewinn als Verlust. (Seltsamerweise spricht dann keine Bild-Zeitung von wundersamer Kapital-Erschaffung. Statt Bild-Zeitung hätte ich auch spiegel-online, faz, handelsblatt oder andere Experten nennen können.)

 

Versuche ich nun, diese Unsicherheiten zu eliminieren, indem ich einen extrem langen Vergleichszeitraum heranziehe, dann gibt es ganz klar nur Gewinner, selbst wenn wir die Inflation herausrechnen. Wer das Gegenteil beweisen möchte, zeige mir bitte die Daten -- grafische Darstellung (Chart) genügt.

 

Erstes Fazit: Wer den Aktienmarkt insgesamt ein Nullsummenspiel nennt, kann nur dann recht haben, wenn es für Aktien einen unveränderlichen, richtigen Preis gäbe, zu dem alle Kurse früher oder später zurückkehren müssen. Abweichungen davon, ob nach oben oder nach unten, wären nur Beweis für irrationales Handeln aller Marktbeteiligten.

 

Warum steigt denn nun der Wert von Aktien insgesamt? Weil die Wirtschaft insgesamt wächst. Nicht stetig aber auf Dauer beständig. Elf der zwölf Firmen, die ursprünglich im Dow-Jones-Index vertreten waren, gingen pleite oder wurden aufgekauft. Nur General Electric (GE) ist noch im Geschäft. Allerdings macht GE längst keine Glühbirnen mehr.

 

Zweites Fazit: Wer an buy and hold glaubt, also eine einmal für gut befundene Aktie niemals verkaufen will, hat schlechte Karten. Er wäre am besten mit einem index-basierten Fonds (oder ETF) beraten, weil alle Indizes von Zeit zu Zeit ihre Zusammensetzung ändern und nur vielversprechende Aktien neu aufnehmen. Die Indizes enthalten zu jeder Zeit eher gute als schlechte Firmen, denn die Luschen fallen früher oder später heraus, und die Fonds (bzw. ETF-Sponsoren) ziehen gleich.

 

Abschliessendes Fazit: Der Handel mit Aktien ist kein Nullsummenspiel.

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Rotkehlchen

Ein sehr schöner Beitrag, der zumindest etwas mit einem immer wiederkehrenden Vorurteil aufräumt.

 

Eine Anmerkung habe ich allerdings trotzdem:

 

Die Indizes enthalten zu jeder Zeit eher "gute" als "schlechte" Firmen, denn die Luschen fallen früher oder später heraus, und die Fonds (bzw. ETF-Sponsoren) ziehen gleich.

 

Daraus, dass sehr schlecht performende Werte früher oder später herausfallen, kann nicht abgeleitet werden, dass es sinnvoll ist, Indexfonds zu kaufen. In den meisten Fällen fallen die Werte erst raus nachdem sie bereits eine äußerst schlechte Performance hatten (siehe Infineon oder HRE) und werden erst dann in einen (höheren) Index aufgenommen nachdem sie eine im Vergleich sehr gute Performance hatten.

Die Freefloat-Marktkapitalisierung, die meist das Kriterium für eine Indexzusammensetzung ist, ist kein geeignetes Kriterium, um die Qualität und vor allem die Zukunftsaussichten eines Unternehmens zu beurteilen.

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akku5
· bearbeitet von akku5

Für mich ist die Sache im Kern ganz simpel: Firmen (für die die Aktien stehen) erwirtschaften im Durchschnitt Gewinne. Sachwerte - z.B. Gold - liegen bloß rum. Auch wenn das beim phänomenalen Anstieg in den letzten Jahren nur wenige einsehen werden.

Darum steigt der DAX auf lange Sicht auch immer, selbst inflationsbereinigt. Und auch wenn eine lange solide Bude mal nach 100 Jahren pleite macht hat sie doch ihr Geld längst verdient. Für die ganzen Zocker wie Hobel und Co. die nur einen zeitlichen Horizont von 12 bis Mittag haben ist das natürlich nicht erkennbar.

 

Zu deiner "Buy&Hold"-These: Ich bin davon auch kein Fan der "reinen Lehre". Trotzdem, wer irgendwann in ner Baisse breit streuend kerngesunde, multinational agierende Unternehmen kauft, kann die auch 20, 30 Jahre halten und wird Geld verdienen und es wird kein Nullsummenspiel sein. Genauso wie ein guter Mittelständler eben, dessen Firma nie das Börsenparkett gesehen hat und trotzdem Multimillionär ist.

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DonChristo

Derivate dagegen sind Nullsummenspiele - jedem long steht ein short gegenüber. (Gebühren außer Acht gelassen, hier werden natürlich geschaffene Werte entlohnt)

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H.B.

Es ist einfach nicht zielführend, sich der Sache auf der Ebene der Einzeltransaktion bzw. des Einzwelwerts, ja nicht einmal der singulären Assetklasse "Aktien" zu nähern.

 

Aus meiner Sicht ist alles eine Frage von zur Verfügung stehendem Geld (was nicht mit "Kapital" verwechselt werden darf) und Vertrauen.

Um es anders auszudrücken: Es muss die Möglichkeit geben, etwas zu kaufen und es muss einen Anlass geben, auf zukünftige Erträge zu hoffen.

 

Ein Unternehmen kann noch so tolle Dinge fabrizieren, noch so ambitionierte Ziele kommunizieren, noch so gut verdienen: Wenn den Märkten die Liquidität abhanden kommt, wird es schwer, sich weiter steigende Bewertungen vorzustellen. (siehe China)

Andersherum: Wenn Liquidität im Überfluß vorhanden ist und ein Mangel an lohnenden Investmentzielen besteht, steigen auch die Bewertungen zweit- und drittrangiger Unternehmen. (siehe USA)

 

 

Es ist ein Kennzeichen der Blasenökonomie, dass sich die expandierten Kreditmärkte periodisch wieder entladen. Solange dies asynchron passiert, ist der Gesamtmarkt stabil. Problematisch sind synchrone Prozesse.

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Schinzilord

Man muss einfach die Opportunitätskosten in die Betrachtung einfließen lassen. Und dann wird es kein Nullsummenspiel (entgangene Gewinne vs. entgangene Verluste -> hier schlägt es in beide Richtungen aus). Man partizipiert in Zukunft halt nicht mehr an der zukünftigen Entwicklung.

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@ndy

 

Kursgewinn, Kursverlust, alle Varianten können zutreffen -- ich muss mir nur den passenden Zeitraum aussuchen: etwa zwischen September 2008 und März 2009. In dieser Zeit haben alle Investoren in Aktien, die grossen wie die kleinen, massiv verloren. Die Bild-Zeitungen dieser Welt sprechen in dem Fall von grauenvoller Kapital-Vernichtung.

 

Stimmt so nicht ganz,du vergisst die wunderbaren Möglichkeiten die der Kapitalmarkt Anlegern auch bei fallenden Kursen bietet.

(Short, Put etc.)

 

Wenn ich dagegen die folgenden vier Monate von März bis Juni 2009 betrachte, dann sehe ich weitaus mehr Gewinn als Verlust. (Seltsamerweise spricht dann keine Bild-Zeitung von wundersamer Kapital-Erschaffung. Statt Bild-Zeitung hätte ich auch spiegel-online, faz, handelsblatt oder andere Experten nennen können.)

 

"Experten" müssen auch Geld verdienen => Bad News Sells Better Than Good News

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etherial

Das Nullsummenspiel bezieht sich nur auf einen konkreten Zeitpunkt, d.h. eine Transaktion: Der wirkliche Wert der Aktie ist nicht bekannt, aber existent. Somit wird die Aktie entwender über Wert, unter Wert oder fair verkauft. Der Gewinn des einen ist der Verlust des anderen.

 

Die Wertsteigerung ist natürlich kein Nullsummenspiel.

 

Oder diese Vorstellung kommt ins Spiel: A macht doch einen Verlust, wenn seine Aktie, nachdem er sie verkauft hat, noch weiter steigt, aufs Doppelte oder Dreifache gar! -- Nein. Ein nicht gehabter Gewinn ist kein Verlust. Ebenso wie ein nicht gehabter Verlust ein Gewinn ist. Wenn du mir nicht glaubst, dann solltest du deine nicht gehabten Verluste dem Finanzamt mitteilen und auf diesen Gewinn Steuern zahlen.

 

Das kommt doch ganz auf die Definition von Gewinn an. Bei Aktien (wie bei allen anderen Anlagen) kommt es nicht auf den absoluten Gewinn, sondern auf den komparativen Gewinn an:

- jemand der 1 Jahr Geld auf dem Girokonto zu 0,01% Zinsen hält, aber davor schon wusste, dass er das Geld nicht braucht, hat schlichtweg falsch gehandelt - egal ob Gewinn oder nicht.

- jemand der eine Aktie mit sicherer Wertverdopplung ohne einen angemessenen Aufschlag (des muss etwa so groß sein, dass der Gewinn für den Käufer nah am risikolosen Zins ist) verkauft, hat ebenfalls falsch gehandelt. Es ist egal ob er bei der Transaktion Gewinn oder Verlust gemacht hat.

- da Aktien noch ein inhärentes Risiko haben, muss man natürlich auch das noch bewerten (in Form eines Abschlags).

 

Unter diesen Maßgaben ergibt sich das man einen mittleren Marktgewinn quasi kostenlos bekommt (durch Indexanlagen oder Tagesgeld), und zwar ohne irgendwelche Intelligenz. Die Finanzwissenschaft kümmert sich um den normalen Gewinn gar nicht mehr, sondern nur um Outperformance/Underperformance. Und die ist wiederum ein Nullsummenspiel.

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