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Aktiencrash

Mannesmann-Prozess

Wo wird das Urteil enden  

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Aktiencrash

Mannesmann-Prozeß

Für Ackermann geht es um alles

Von Henning Peitsmeier

 

21. Januar 2004 Josef Ackermann beherrscht den selbstsicheren Auftritt in der Öffentlichkeit. Mit breitem Lächeln betritt der Vorstandssprecher der Deutschen Bank den Schwurgerichtssaal L 111 im Düsseldorfer Landgericht, umringt von Kameras, Mikrofonen und Journalisten mit Schreibblöcken in der Hand. Ganz so, als handele es sich um die Bilanzpressekonferenz seines Bankkonzerns und er, der Konzernchef, könne gute Geschäftszahlen verkünden. Ackermann lacht, plaudert mal mit diesem, mal mit jenem Journalisten.

 

Er wirkt selbstbewußt und unantastbar wie immer. Doch Ackermann, einer der mächtigsten Männer der deutschen Wirtschaft, steht an diesem Mittwochmorgen wegen schwerer Untreue vor Gericht. Der Schweizer Ackermann will das nicht wahrhaben, fühlt sich zu Unrecht vorgeführt: "Das ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen."

 

Selbstbedienungsladen

 

Die Strafverfolger sehen das anders. Staatsanwalt Johannes Puls, ein ernst dreinschauender, grauhaariger Mann, verliest die Anklageschrift. Monoton, ohne jede Regung. Die Gelder, die nach der Übernahme des Mannesmann-Konzerns durch Vodafone geflossen sind, seien von Ackermann in rechtswidriger Weise genehmigt worden, sagt Puls. "Es geht um einen Gesamtschaden von 111 514 794 DM", rechnet Puls zusammen. Nach der Übernahme durch Vodafone im Februar 2000 ist das Düsseldorfer Traditionsunternehmen in den Augen der Strafverfolger zu einem "Selbstbedienungsladen" gieriger Manager geworden. Jetzt sollen sie sich dafür verantworten.

 

Die beiden Anklagebänke im Schwurgerichtssaal sind besetzt mit ranghohen Vertretern der Deutschland AG: Neben Josef Ackermann ist auch Klaus Esser, der frühere Vorstandsvorsitzende des Mannesmann-Konzerns, angeklagt, der vor vier Jahren den Übernahmekampf gegen Vodafone-Chef Chris Gent verloren hatte und sich mit einem "goldenen Handschlag" von 60 Millionen Mark verabschiedete. Eine Reihe vor ihnen sitzen "Kapital" und "Arbeit" einträchtig nebeneinander: Joachim Funk, ehemaliger Aufsichtsratschef von Mannesmann, daneben Klaus Zwickel, einst als IG-Metall-Vorsitzender mächtigster Arbeiterführer, und sein Gewerkschaftskollege Jürgen Ladberg, oberster Betriebsratschef. In den Verhandlungspausen reden die drei miteinander wie alte Freunde.

 

Von Euphorie nichts mehr zu spüren

 

Wenn man dem Staatsanwalt zuhört, könnte man an große Kumpanei im Mannesmann-Konzern glauben. Denn allzu großzügig sollen die Angeklagten um Aufsichtsratschef Funk Millionen verteilt haben. Vorstände erhielten zu ihrem bevorstehenden Abgang üppige Zuweisungen, selbst längst pensionierte Führungskräfte und ihre Angehörigen wurden bedacht. Nun fiel die Mannesmann-Übernahme in die Zeit des kometenhaften Aufstiegs vieler Telekommunikations- und Internetfirmen. Aktien aus diesen Branchen stiegen an den Börsen auf in himmlische Kurssphären. Und die Mannesmann-Aktie kletterte allein während der vier Monate dauernden Übernahmeschlacht um 136 Prozent.

 

Von der Euphorie jener erfolgreichen Tage ist im Schwurgerichtssaal L 111 nichts mehr zu spüren. Der Raum mit seinen holzvertäfelten Wänden, den vergilbten Vorhängen und den schwarzen Holztischen wirkt unfreundlich. Die Deckenlampen sorgen für ein unsympathisches Neonlicht, in dem die Angeklagten fast krank aussehen. Diesen Eindruck hat die Vorsitzende Richterin Brigitte Koppenhöfer vom Angeklagten Zwickel. Die 52 Jahre alte ehemalige Jugendrichterin zeigt sich sehr einfühlsam, unterbricht die Anklageverlesung in Sorge um den früheren Gewerkschaftsführer: "Herr Zwickel, geht es Ihnen nicht gut?" Kopfschütteln. "Es machte gerade so den Eindruck", entschuldigt sie sich.

 

Manager unter Generalverdacht

 

Auf Richterin Koppenhöfer kommt viel Arbeit zu. Schräg hinter dem erhöhten Richtertisch stehen Ordner mit Prozeßakten in einem einfachen Holzregal. 7700 DIN-A4-Seiten Papier in 37 Bänden. Mehr als drei Jahre hat die Staatsanwaltschaft recherchiert, hat 61 Zeugen vernommen und eine 460 Seiten lange Anklageschrift verfaßt. Die Richterin muß nun Licht ins Dunkel bringen. Sie spricht nicht laut, aber klar und deutlich. Seit Anfang 2003 ist Koppenhöfer Vorsitzende der neugebildeten 14. Wirtschaftsstrafkammer des Düsseldorfer Landgerichts. Daß an ihrer Seite zwei junge, recht unerfahrene Berufsrichter sitzen, einer sogar noch in der Probezeit ist, macht die Sache nicht leichter. Die drei betreten juristisches Neuland. Die Causa Mannesmann wird zum Lackmustest für die Frage, ob Millionenprämien und Zuwendungen an Manager im Interesse des Unternehmens und seiner Anteilseigner liegen.

 

In der öffentlichen Wahrnehmung steht das Verfahren stellvertretend für die Frage der moralischen Integrität von Managern. Deshalb stehen zahlreiche Zuschauer schon am frühen Morgen vor dem Landgericht und warten. Es sind überwiegend Rentner, manche ehemalige Mannesmann-Aktionäre. Es waren die vielen Bilanzskandale in den Vereinigten Staaten oder wie zuletzt bei dem italienischen Lebensmittelkonzern Parmalat, die Manager unter den Generalverdacht stellen, vor allem auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein. Davon ist im Mannesmann-Prozeß nicht die Rede. Der spektakulärste Wirtschaftsprozeß der deutschen Nachkriegsgeschichte verläuft reichlich unspektakulär. Richterin Koppenhöfer mag unerfahren sein, sie führt aber souverän durch die Verhandlung. Zweimal unterbricht sie am Vormittag den Prozeß. Die Verteidigung hat eine Reihe von Anträgen gestellt, weil die Staatsanwaltschaft angeblich die Ermittlungen nicht ordnungsgemäß geführt habe. Über einen vor allem politisch motivierten Prozeß wurde schon im Vorfeld diskutiert. Führende Politiker wie die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sprachen gar von einem Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland.

 

Natürlich die besten Verteidiger

 

Damit es so weit nicht kommt, haben die sechs Angeklagten die prominentesten Verteidiger beauftragt, die das deutsche Wirtschaftsstrafrecht kennt. Ackermann wird verteidigt von Eberhard Kempf, zu dessen Mandanten früher ehemalige RAF-Terroristen gehörten; Esser hat mit Sven Thomas einen der renommiertesten Strafverteidiger an seiner Seite, der unlängst EM-TV-Gründer Florian Haffa zu einem milden Urteil verholfen hat. Nicht minder bekannt ist auch Rainer Hamm, ein Revisionsfachmann, der von Klaus Zwickel beauftragt wurde.

 

Immer wieder versuchen die Verteidiger mit einer Reihe von Anträgen die Anklage in die Defensive zu treiben. Esser-Anwalt Thomas rügt die Staatsanwaltschaft, weil diese trotz anderslautender Beschlüsse der Wirtschaftsstrafkammer offenbar am Vorwurf der Käuflichkeit gegen seinen Mandanten festhalte. "Für die Hygiene dieses Verfahrens ist es von großer Bedeutung, daß dieser Vorwurf hier vom Tisch kommt", sagt Thomas mit sonorer Stimme. Und sogleich springen ihm die anderen Verteidiger bei. Ihr Vorgehen wirkt abgestimmt und sehr professionell.

 

Die Karriere steht auf dem Spiel

 

Richterin Koppenhöfer läßt sich nicht beeindrucken. Eine sogenannte Besetzungsrüge von Ackermann-Anwalt Kempf lehnt sie entschieden ab. Der Verteidiger hatte behauptet, das Verfahren sei gezielt der 14. Wirtschaftsstrafkammer unter Leitung der Vorsitzenden Richterin zugewiesen worden, was unzulässig sei. Ein Erfolg der Rüge hätte das vorzeitige Ende des Verfahrens bedeuten können.

 

So geht es an diesem Donnerstag planmäßig weiter. Dann werden die Angeklagten persönlich Stellung nehmen. "Fünf Stunden" will Klaus Esser reden. Josef Ackermann wird sich wie die übrigen Angeklagten kürzer fassen. Dabei steht viel für ihn auf dem Spiel. In zwei Wochen wird der Banker 56 Jahre alt. Er hat noch viele Jahre vor sich. Doch eine Verurteilung wegen schwerer Untreue würde, soviel steht schon zum Prozeßauftakt fest, seine Karriere abrupt beenden.

 

 

"Verleumdung und Beleidigung"

 

22. Januar 2004 Als letzter der sechs Angeklagten im Mannesmann-Prozeß hat am Donnerstag der frühere Vorstandschef Klaus Esser die Untreue-Vorwürfe der Staatsanwaltschaft scharf zurückgewiesen. Sie seien eine Verleumdung und Beleidigung, sagte er in seiner Stellungnahme vor dem Düsseldorfer Landgericht.

 

Es habe weder Täter noch Gehilfen bei einer unrechten Tat gegeben, betonte Esser zu Beginn seiner ersten Aussage vor Gericht, für die er eine Redezeit von fünf Stunden angekündigt hatte. Dabei übte Esser scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft. Die Bemühungen der Staatsanwaltschaft um eine massive Vorverurteilung seien jedoch von der Strafkammer zurückgewiesen worden, führte Esser aus. Die Kammer war in einem Beschluß vom Oktober vergangenen Jahres zu der Auffassung gelangt, daß es nach Aktenlage keine Anhaltspunkte für eine Käuflichkeit Essers gebe.

 

Esser: Durch Zahlungen kein Schaden entstanden

 

Zugleich wies Esser, der wegen Beihilfe zur Untreue in besonders schwerem Fall angeklagt ist, auch die aktuellen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ausdrücklich zurück. Aus meiner Sicht ist der damalige Handlungsablauf nirgends auch nur in der Nähe eines Untreue-Verdachts. Durch die Zahlungen von Anerkennungsprämien an Mannesmann-Vorstände sei zudem niemandem ein Schaden entstanden.

 

Vielmehr hätten die Aktionäre des Unternehmens durch die Wertsteigerung der Aktie im Zuge der Übernahme durch Vodafone Riesengewinne gemacht. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte zuvor in seiner Aussage auf die außergewöhnlichen Leistungen Essers bei Mannesmann hingewiesen, die eine außergewöhnliche Anerkennung rechtfertige (siehe: 2. Prozeßtag: Deutsche-Bank-Chef Ackermann sagt aus)

 

Ungewöhnlich war nur die Transparenz der Bonuszahlungen

 

Die Bonuszahlungen, die er erhalten habe, seien in ihrer Art und Höhe auch für Deutschland nicht ungewöhnlich gewesen, betonte Esser. Ungewöhnlich war nur die Transparenz, mit der sie kommuniziert wurden.

 

Die Übernahme durch Vodafone sei eine bittere Niederlage für Mannesmann gewesen, für die Aktionäre jedoch ein großer Erfolg. Für diesen habe er auf deren Initiative hin einen Bonus zugesprochen bekommen, fügte Esser hinzu. Dies sei eine paradoxe Situation gewesen, in der die Mitarbeiter von Mannesmann in ihrer Trauer ziemlich einsam gewesen seien. Esser hatte nach der Übernahme von Mannesmann neben seiner Abfindung von 29,8 Millionen Mark auch eine umstrittene Anerkennungsprämie von 32 Millionen Mark erhalten.

 

Der zweite Tag des wohl bedeutendsten Verfahrens in der deutschen Wirtschaftsgeschichte verlief reibungslos. Nachdem die Auftaktsitzung vor der 14. Großen Strafkammer von Verfahrensanträgen der Anwälten geprägt war (siehe: 1. Prozeßtag: Für Ackermann geht es um alles; "Das einzige Land, in dem die Erfolgreichen vor Gericht stehen"), sprachen am Donnerstag die Angeklagten selbst zur Sache.

 

 

Quelle:

 

http://www.faz.net/s/RubEC1ACFE1EE274C81BC...n~Scontent.html

 

http://www.faz.net/s/RubC8BA5576CDEE4A05AF...n~Scontent.html

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